Man konnte von ihm halten, was man wollte. Die einen feierten ihn für seine unkonventionelle, überdrehte und laute Art. Die anderen verurteilten ihn – zurecht – für chauvinistische oder sexistische Sprüche. Bisher war das aber alles noch in einem skurrilen Rahmen, der keinem wirklich geschadet hat. Wer Jeremy Fragrance einmal in einem privaten Rahmen kennengelernt hat, weiß, dass er eigentlich auch ganz normal und sympathisch sein kann – immer dann, wenn er nicht gerade in seiner Influencer-Rolle steckt. Bei Gin And Talk zeigte er im Dezember 2022 seine bodenständige und durchaus reflektierte Seite. Wenige Monate später dominierte auf dem 48forward Festival dann wieder die absurde Seite seines Show-Charakters.
Immer wieder sprach er in Interviews davon, dass er alles selbst macht – kein Management, keine Berater. Offensichtlich gab es in seinem Umfeld aber auch wenige Menschen, die ihm ehrlich die Meinung sagten. Sein Ego-Trip, der ihm in den sozialen Netzwerken auch immer wieder den Spitznamen Homelander 2.0 einbrachte, scheint nun ein jähes Ende zu nehmen. Wie DER SPIEGEL berichtet, posierte Daniel Schütz, wie Jeremy Fragrance bürgerlich heißt, im Rahmen einer Gala des rechten New York Young Republican Clubs (NYYRC) an der Seite von Rechtsextremen.
Zu der Gala, auf der Donald Trump als Hauptredner auftrat, reisten auch AfD-Politiker, wie Maximilian Krah und Kay Gottschalk an. Jeremy Fragrance veröffentlichte zudem Selfies mit Alexander Kleine, auch bekannt als Alex Malenki, einer der Köpfe der “Identitären Bewegung”, und David Bendels, ehemaliger Vorsitzender des inzwischen aufgelösten “Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten” sowie Herausgeber und Chefredakteur des “Deutschlandkurier”.
Kooperationspartner verabschieden sich
Diverse Marken und Kooperationspartner haben daraufhin ihre Zusammenarbeit mit dem Parfum-Influencer aufgekündigt. Aldi Nord distanziert sich, Sky nimmt die über Monate produzierte Doku mit Jeremy Fragrance offline und selbst der Verlag, mit dem der gebürtige Oldenburger sein Buch auf den Markt brachte, beendet die Zusammenarbeit.
Mit Reichweite kommt Verantwortung
Die große Frage die bleibt: Wollte Jeremy Fragrance mit den Bildern und Stories wirklich eine politische Botschaft senden? Existiert in der egomanen, sehr eigenen Welt des Influencers die Dimension Politik überhaupt? Und wie reflektiert ist er in diesem Kontext tatsächlich?
Tatsächlich dürfen die Antworten auf diese Frage aber nur für ihn ganz persönlich eine Rolle spielen. Wer über Jahre hinweg eine derart große Followerschaft über verschiedene soziale Netzwerke hinweg aufbaut, muss sich auf der Verantwortung bewusst sein, die mit dieser Reichweite einhergeht. Parfum-Rezensionen sind harmlos, doch politische Botschaften – ganz egal, ob bewusst oder unbewusst – an mehr als acht Millionen Follower können brandgefährlich sein.
Man kann über die politische Gesinnung von Jeremy Fragrance also lange spekulieren. Vermutlich kann man ihn sogar in die gleiche Schublade stecken, in der sich auch alle durch Populismus und vermeintlich einfache Lösungen verblendete Wähler von AfD, Trump und Co. sammeln. In jedem Fall kann man ihn in absoluter Konsequenz für die Bilder an der Seite von Rechtsextremen verurteilen. Und das bedeutet auch, dass man sich zwangsläufig und in vollem Umfang von ihm distanzieren muss.