Während die Welt auf die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten blickt, nimmt die Bedeutung der koreanischen Halbinsel im globalen Machtgefüge wieder zu. Die erneuten Spannungen zwischen den USA und Russland haben Nordkorea zu einem strategisch wichtigen Partner für Moskau gemacht. Die Rolle Nordkoreas beschränkt sich dabei nicht nur auf symbolische Unterstützung: Als Pufferstaat und militärischer Unterstützer ist es für Russland ein zunehmend wertvoller Verbündeter. Um seine Unterstützung zu verdeutlichen, hat Nordkorea sogar Truppen an die ukrainische Grenze entsandt, um Russland im Konflikt zu stärken. Dabei steht das Regime in Pjöngjang seit jeher vor enormen inneren und äußeren Herausforderungen.
Für Russland ist Nordkorea in der momentanen Situation von Nutzen, und für Kim Jong-un bedeutet das neue Bewegungsspielräume.
Prof. Dr. Rüdiger Frank
Einer der führenden Experten auf diesem Gebiet, Prof. Dr. Rüdiger Frank von der Universität Wien, ordnet die Lage ein: „Nordkorea hat eine ganze Reihe schwerwiegender Probleme, die sind bei uns auch relativ gut bekannt – wirtschaftliche Herausforderungen, Versorgungsengpässe bei Nahrungsmitteln, mit Energie, mit Gütern des täglichen Bedarfs.“ Dennoch gelingt es dem Regime, durch geschickte Machtspiele und seine Nähe zu Russland und China seine Position zu stabilisieren. „Das Land ist jetzt wieder Teil eines politischen Lagers – nicht aus Freundschaft oder Sympathie, sondern auf Grundlage knallharter Interessen.“
Russlands neuer Verbündeter?
Russland und Nordkorea verbindet eine zweckgebundene Partnerschaft. Im Krieg gegen die Ukraine und im Konflikt mit dem Westen kann sich Russland zunehmend auf Nordkorea verlassen. „Für Russland ist Nordkorea in der momentanen Situation von Nutzen,“ erklärt Frank. Die Unterstützung umfasst sogar militärische Einheiten an der Grenze zur Ukraine – ein symbolischer, aber für Russland nicht unerheblicher Schritt, der Pjöngjangs Loyalität im Neuen Kalten Krieg betont. Diese Rückendeckung gibt dem Regime in Pjöngjang selbst größere Handlungsspielräume, gerade in Sicherheitsfragen. „Nordkorea kann fest mit wirtschaftlicher Unterstützung rechnen, sollte es einmal Schwierigkeiten geben. Es weiß außerdem, dass China und Russland den aktuellen Machthaber stützen werden,“ fügt Frank hinzu.
Die Nähe Nordkoreas zu Russland und China verleiht dem Land Stabilität, doch das System bleibt fragil und könnte von innen heraus bröckeln. Frank beschreibt das Regime mit dem Bild einer mächtigen, alten Eiche: „Sie steht seit jeher und wirkt stabil, doch irgendwann kommt ein Sturm, und die Eiche knickt um. Erst dann sieht man den hohlen Stamm, über Jahre hinweg von kleinen Würmern zerfressen.“
Kalter Krieg 2.0 und Nordkoreas Zukunft
Für Länder wie Nordkorea eröffnet der neue Kalte Krieg zwischen den USA und Russland eine Gelegenheit, internationale Bündnisse neu zu definieren und ihre Rolle auf der Weltbühne zu festigen. Frank, der die Anzeichen dieser Entwicklung schon früh beobachtete, formulierte es so: „Schon 2014 habe ich das Kalter Krieg 2.0 genannt.“ Heute sieht sich Nordkorea wieder in einer strategischen Position, die an die Dynamiken der 1950er Jahre erinnert.
Die Bestätigung von Donald Trumps Wahlsieg und seiner bevorstehenden zweiten Amtszeit ab 2025 könnte diese geopolitische Lage weiter verschärfen. Bereits während seiner ersten Amtszeit führte Trump die USA in ein beispielloses diplomatisches Aufeinandertreffen mit Nordkorea, das teils von Konfrontation, teils von Verhandlungsbereitschaft geprägt war. Frank hebt hervor, dass die Ereignisse dieser Ära tiefe Spuren hinterlassen haben: „Es wird nie wieder einen ersten amerikanischen Präsidenten geben, der sich mit einem nordkoreanischen Führer trifft,“ sagt er. Eine Tatsache, die auch Kim Jong-un wohl strategisch einzusetzen weiß.
Expertenblick auf ein unsicheres Gleichgewicht
Die Analyse von Prof. Dr. Rüdiger Frank zeigt, dass Nordkorea ein System voller Widersprüche bleibt: eine politische Pufferzone, die die Großmächte gegeneinander ausspielen kann, ein international isolierter Staat, dessen Autorität von Unsicherheiten gezeichnet ist. Auch in Zukunft wird Nordkorea ein unberechenbarer Akteur auf der globalen Bühne sein – ein kleines, aber entscheidendes Rädchen in einem Machtgefüge, dessen Balance immer wieder neu ausgelotet werden muss.