München, die pulsierende bayerische Metropole, steht wie viele andere Städte vor einer der drängendsten Herausforderungen der Gegenwart: der Digitalisierung der Verwaltung. Während Fortschritte auf der einen Seite deutlich werden, sind die Barrieren auf der anderen Seite nicht zu übersehen. Besonders die Integration künstlicher Intelligenz (KI) in kommunale Strukturen wirft Fragen auf, die über Technologie hinausgehen und gesellschaftliche Grundsatzdebatten berühren.
Zwischen Ambition und Realität
Die öffentliche Verwaltung ist traditionell ein Bereich, der von festgelegten Prozessen, umfassenden Regularien und einem hohen Maß an Datenschutz geprägt ist. Diese Grundlagen machen die Einführung neuer Technologien oft zu einer komplexen Aufgabe. „Unsere größte Herausforderung ist der Datenschutz“, sagt Nina Böhm, KI- und Digitalisierungsstrategin der Landeshauptstadt München. Daten dürfen nur zweckgebunden verwendet werden, eine Grundregel, die jede potenzielle Automatisierung auf eine harte Probe stellt. Dennoch sieht Böhm die Technologie nicht als Hindernis, sondern als Chance: „Wir müssen weg von Spielereien und hin zu konkreten Anwendungsfällen mit Mehrwert.“
Die öffentliche Verwaltung steht vor einem Paradigmenwechsel. Jetzt ist der Moment, die Transformation aktiv zu gestalten, bevor der Fachkräftemangel uns die Hände bindet.
Dr. Nina Böhm
Solche Anwendungsfälle gibt es bereits. Ein KI-gestütztes Empfehlungssystem für die Stadtbibliotheken ist ein erster Schritt, doch die eigentlichen Ziele sind ehrgeiziger. Böhm spricht von der Möglichkeit, Sozialleistungen effizienter zugänglich zu machen, Dringlichkeiten in Anträgen schneller zu erkennen oder repetitive Aufgaben zu automatisieren, um Verwaltungsmitarbeiter zu entlasten. Doch hier scheitert es häufig an den finanziellen Mitteln. „KI kostet nicht nur Software, sondern auch Infrastruktur, Schulungen und Ressourcen – das wird oft vergessen“, merkt Böhm kritisch an.
Der kulturelle Wandel als Herausforderung
Die technische Implementierung ist jedoch nur ein Teil der Aufgabe. Ein mindestens ebenso großes Hindernis ist der notwendige kulturelle Wandel innerhalb der Verwaltung. „Wir haben 43.000 Mitarbeiter, und nicht alle sind Digitalisierungspioniere“, erklärt Böhm. Neben Ängsten vor Jobverlust gibt es auch Widerstände, die aus jahrelangen Erfahrungen mit gescheiterten Projekten resultieren. Um diesen Wandel zu unterstützen, setzt die Stadt auf Schulungen, interne Ansprechpartner für Digitalisierung und den Aufbau eines Bewusstseins für die Vorteile neuer Technologien.
Die KI-Technologie wird dabei oft mit der Einführung von PCs in den 1980er-Jahren verglichen. Auch damals löste die neue Technik Ängste aus, die sich letztlich als unbegründet erwiesen. Heute, in einer Zeit des Fachkräftemangels und immer komplexer werdender Verwaltungsaufgaben, könnten KI-Systeme einen entscheidenden Unterschied machen – vorausgesetzt, sie werden rechtzeitig und mit Bedacht implementiert.
Inspiration aus dem Ausland
Während Städte wie München kämpfen, die digitale Welle nicht zu verpassen, sind Länder wie Dänemark oder Estland längst Vorreiter. Böhm ist regelmäßig im Austausch mit internationalen Partnern, um von ihren Ansätzen zu lernen. „Die rechtlichen Grundlagen und Ausgangslagen sind oft unterschiedlich, aber die Inspiration und der Austausch sind unglaublich wertvoll“, berichtet sie.
Doch es bleibt ein langer Weg. Neben der rechtlichen Anpassung braucht es auch eine gesellschaftliche Diskussion darüber, wie viel Kontrolle Bürger bereit sind, abzugeben, um von effizienteren Prozessen zu profitieren. Und während die Politik ambitionierte Ziele formuliert, fehlt oft die finanzielle Unterstützung, um diese umzusetzen.
Ein langer Weg mit großen Chancen
Trotz aller Hürden sieht Böhm die Zukunft optimistisch: „Die öffentliche Verwaltung muss den Schritt zur digitalen Transformation wagen, um auch in zehn Jahren noch handlungsfähig zu sein.“ Ein KI-Kompetenzzentrum, engagierte Mitarbeiter und ein klarer Fokus auf ethische Grundlagen seien vielversprechende Anfänge.
Die Herausforderungen sind gewaltig, doch die Chancen, die in der Nutzung künstlicher Intelligenz liegen, sind es ebenso. In einem Gespräch mit Nina Böhm wurde deutlich, dass München bereit ist, sich diesen Herausforderungen zu stellen – mit dem Ziel, die Verwaltung bürgernäher, effizienter und zukunftsfähiger zu gestalten.