Annemarie Paulsen

Annemarie Paulsen über Tiere, Landwirtschaft und Leidenschaft

Mit Humor zu mehr Transparenz

Der Hof der Familie Paulsen liegt in der Uckermark, eine Region, die in weiten Wellen aus Feldern und Wäldern besteht. Es ist ein Ort, an dem die Tradition der Landwirtschaft auf die Herausforderungen der Moderne trifft. Annemarie Paulsen, Bio-Bäuerin und Influencerin, gehört zu einer neuen Generation von Landwirtinnen, die nicht nur mit Fünf-Uhr-Frühschichten und modernen Melkrobotern zurechtkommen, sondern auch die Mechanismen der sozialen Medien nutzen, um ihre Welt transparent zu machen.

Landwirtschaft als Lebensmodell

„Mein Tag beginnt mit dem Weckruf des Melkroboters“, sagt Annemarie Paulsen und lacht. Sie betreibt mit ihrem Mann einen Hof mit fast 400 Kühen und setzt auf ein biozertifiziertes Modell, das sich klar an Tierwohl und Kreislaufwirtschaft orientiert. Die Tiere bekommen im Sommer Weidegang und werden im Winter über eigens erzeugtes Futter versorgt. Die Paulsens verfolgen einen Ansatz, der ihre Landwirtschaft nachhaltig macht und gleichzeitig technologisch auf dem neuesten Stand hält. GPS-gestützte Traktoren, digitale Tierüberwachung und automatische Melksysteme gehören hier genauso zum Alltag wie die traditionelle Gülledüngung.

Viele junge Menschen haben keine Lust mehr, die Betriebe ihrer Eltern zu übernehmen. Die Verantwortung ist groß, und oft fehlen attraktive Perspektiven.

Annemarie Paulsen

Doch der Weg dahin war alles andere als einfach. „Die Hofnachfolge ist ein emotionales Thema“, berichtet Paulsen. Sie beschreibt die Konflikte, die entstehen, wenn Generationen unterschiedliche Vorstellungen von Unternehmensführung haben. „Am Ende haben wir gelernt, mit Respekt voreinander zu arbeiten, ohne die Vision der jüngeren Generation aus den Augen zu verlieren.“

Das Dilemma der Lebensmittelpreise

Trotz aller Fortschritte steht auch die Familie Paulsen vor den grundlegenden Problemen der Branche: hohe Investitionskosten und ein Markt, der von Billigpreisen dominiert wird. Annemarie Paulsen betont die Absurdität, dass die gesellschaftlichen Ansprüche an Tierwohl und Umweltschutz steigen, während Verbraucher immer weniger für Lebensmittel ausgeben wollen. „Das ist ein riesiges Spannungsfeld. Wir wollen die besten Bedingungen für unsere Tiere schaffen, aber das hat seinen Preis. Und den müssen wir irgendwie erklären, ohne als oberlehrerhaft wahrgenommen zu werden.“

Paulsen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Brücken zwischen Stadt und Land zu bauen. Ihre Social-Media-Kanäle sind ein Ort, an dem sie Geschichten aus dem Alltag erzählt – humorvoll, ehrlich und ohne erhobenen Zeigefinger. „Ich will zeigen, dass wir Landwirte Menschen sind, die mit Leidenschaft für ihre Aufgabe leben. Wir stehen morgens nicht auf, um irgendwem zu schaden, sondern um etwas zu schaffen, worauf wir stolz sein können.“

Ein neues Bild von Landwirtschaft

Es ist diese Transparenz, die Paulsen auszeichnet. Sie spricht auf sozialen Netzwerk und auch in ihrem Buch „Alles büddn wild“ sehr offen und ungefiltert über die Belastungen ihres Berufs, über schlaflose Nächte, wenn Tiere krank sind, und über den Druck, den steigenden Erwartungen gerecht zu werden. Gleichzeitig zeigt sie aber auch die Freude an ihrer Arbeit, die Verbindung zur Natur und die Möglichkeiten, die neue Technologien bieten. „Wir haben in der Landwirtschaft einen Luxus, den viele andere Berufe nicht bieten: Wir sind mit unserer Familie zusammen, wir leben, wo wir arbeiten, und wir sehen die Ergebnisse unserer Arbeit direkt.“

Doch der Nachwuchsmangel bleibt ein Problem. „Viele junge Menschen schrecken vor den hohen Einstiegskosten zurück“, erklärt Paulsen. „Landwirtschaft ist unglaublich kapitalintensiv. Ohne einen familiären Hintergrund oder erhebliches Eigenkapital ist es fast unmöglich, einen Betrieb zu gründen.“ Umso wichtiger sei es, die Attraktivität des Berufsbildes neu zu definieren und mehr gesellschaftliche Anerkennung zu schaffen.

Im Gespräch mit Annemarie Paulsen wird deutlich, wie vielschichtig die Herausforderungen und Chancen der Landwirtschaft sind. Sie ist nicht nur Bäuerin, sondern auch Vermittlerin zwischen zwei Welten, die sich häufig fremd gegenüberstehen. Ihre Arbeit macht Mut, dass die Landwirtschaft der Zukunft nicht nur ökologisch und technologisch, sondern auch menschlich nachhaltig gestaltet werden kann.

Fotoquelle: Julia Merkel

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