Die CDU/CSU-Fraktion legt mit ihrem „Fünf Punkte für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration“ einen Antrag vor, der Härte und Handlungsfähigkeit suggeriert. Doch bei genauer Betrachtung offenbart sich der Plan als juristisch fragwürdige und politisch zahnlose Nebelkerze. Es ist ein Dokument, das nicht regieren will, sondern protestieren – eine rhetorische Aufforderung ohne Substanz, eingebettet in den Klang des Wahlkampfs.
Rechtlich auf tönernen Füßen
Schon die Kernforderungen des Antrags stehen in eklatantem Widerspruch zu den rechtlichen Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland und des europäischen Rechts. Die Forderung nach der Zurückweisung sämtlicher illegaler Einreisen mag nach klarer Kante klingen, ignoriert jedoch, dass sowohl das Grundgesetz als auch die Genfer Flüchtlingskonvention das individuelle Recht auf Asyl garantieren. Artikel 16a des Grundgesetzes ist eindeutig: Schutzsuchende haben Anspruch auf ein faires Verfahren. Pauschale Zurückweisungen an der Grenze – „unabhängig davon, ob sie ein Schutzgesuch äußern oder nicht“, wie es der Antrag fordert – wären nicht nur rechtswidrig, sondern auch eine Absage an die humanitären Verpflichtungen, die Deutschland international eingegangen ist.
Ebenso problematisch ist die Forderung nach Abschiebungen in unsichere Herkunftsländer wie Afghanistan und Syrien. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stellt klar: Abschiebungen sind unzulässig, wenn der Zielstaat keine ausreichende Sicherheit für die betroffenen Personen bietet. Es ist schwer vorstellbar, wie die CDU/CSU diese Forderung mit dem Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung in Einklang bringen will. Hier wird Recht zur politischen Staffage degradiert – eine gefährliche Entwicklung, die mehr Schaden anrichtet, als sie lösen kann.
Politische Ohnmacht in fünf Punkten
Was bleibt von diesem Antrag, wenn man ihn auf seine praktische Wirkung hin untersucht? Die Antwort ist ernüchternd: nichts. Selbst wenn der Bundestag ihn in Gänze annehmen würde, wäre keine der vorgeschlagenen Maßnahmen ohne weiteres umsetzbar. Dauerhafte Grenzkontrollen etwa würden die Prinzipien des Schengen-Abkommens fundamental infrage stellen. Das geltende europäische Recht sieht Ausnahmen in Krisensituationen vor, doch eine dauerhafte Wiedereinführung von Grenzkontrollen bedarf eines fundierten Nachweises, der hier nicht erbracht wird.
Auch die Schaffung zusätzlicher Abschiebehaftplätze ist eine reine Worthülse. Schon heute stoßen die Bundesländer an Kapazitäts- und Personalgrenzen. Der Bund mag versprechen, „Kasernen und Containerbauten“ bereitzustellen, doch das ändert nichts an den massiven strukturellen Hindernissen bei der Durchführung von Abschiebungen. Der Vorschlag, die Bundespolizei mit erweiterten Befugnissen auszustatten, mutet ebenfalls hilflos an – als wäre das Problem nicht die fehlende Kompetenz, sondern die schiere Komplexität der Aufgabe.
Die Forderungen laufen letztlich darauf hinaus, der Bundesregierung die Verantwortung zuzuschieben. Das mag als Oppositionsrhetorik taugen, löst aber kein einziges der angesprochenen Probleme. Es ist die klassische Strategie der Nebelkerze: Lautstarke Appelle ohne jede Wirkung.
Ein Geschenk an die Populisten
Die juristisch haltlosen Forderungen der CDU/CSU spielen dabei ironischerweise jenen in die Hände, die die Union zu bekämpfen vorgibt: den Populisten, allen voran der AfD. Denn der Antrag zeigt – bewusst oder unbewusst – eines: Die demokratischen Parteien scheitern daran, die von der AfD propagierten Probleme glaubwürdig und wirksam zu lösen. Stattdessen versucht die Union, mit einem überhasteten Plan Wähler abzugreifen, die mit den bestehenden Zuständen unzufrieden sind. Doch der Effekt solcher Vorschläge ist absehbar: Diejenigen, die von der AfD angesprochen werden, greifen am Ende zum vermeintlichen „Original“ – und stärken damit eine Kraft, die mit demokratischen Grundwerten bricht. Diese Entwicklung ist fatal, denn sie zersetzt das Vertrauen in die Fähigkeit der etablierten Parteien, komplexe Probleme seriös und lösungsorientiert anzugehen.
Werte, die sich selbst verraten
Der Antrag ist jedoch nicht nur rechtlich fragwürdig und politisch unwirksam, sondern auch moralisch fragil. Die CDU/CSU reklamierte einst christlich-soziale Werte für sich. Doch in diesem Antrag sind sie kaum zu erkennen. Statt Mitgefühl und Solidarität zu betonen, wird Migration in eine Bedrohung umgedeutet, die mit Kontrollverlust und Gewalt gleichgesetzt wird. Besonders perfide ist der Verweis auf einzelne Verbrechen, die instrumentalisiert werden, um eine gesamte Bevölkerungsgruppe unter Generalverdacht zu stellen. Das ist weder mit christlicher Nächstenliebe noch mit dem Anspruch einer Volkspartei vereinbar.
Am Ende bleibt von diesem Antrag nicht mehr als eine rhetorische Geste, die weder juristisch Bestand hat noch politisch wirkungsvoll ist. Die Probleme, die Migration und Integration mit sich bringen, lassen sich nicht mit populistischen Appellen lösen. Es braucht Rechtsstaatlichkeit, Menschlichkeit – und vor allem politischen Mut, der über Wahlkampfrhetorik hinausgeht.