Judith Brauneis

Judith Brauneis über den Tod, die Trauer und das Leben

Was bleibt, wenn alles vorbei ist?

Der Tod ist ein Thema, das viele meiden. Für Judith Brauneis ist er jedoch Alltag. Seit 26 Jahren beschäftigt sie sich mit dem Tod – nicht nur beruflich, sondern auch persönlich. Als Leichenpräparatorin und Trauerbegleiterin am Klinikum Rechts der Isar in München ist ihre Arbeit mehr als ein Beruf – sie ist Berufung. „Ich wollte immer mit Verstorbenen arbeiten“, erzählt sie. „Schon als Kind hat mich der Tod fasziniert, vielleicht, weil ich so wenig darüber wusste.“

Brauneis begegnet dem Tod nicht nur in ihrer Funktion als Präparatorin, sondern auch als Mensch. Die Begegnung mit Angehörigen, die einen geliebten Menschen verloren haben, prägt ihren Alltag ebenso wie die physische Arbeit mit Verstorbenen. „Jeder Fall ist anders, aber immer traurig“, sagt sie. „Ich will mich berühren lassen, weil ich glaube, dass das wichtig ist – für mich und für die Angehörigen.“

Der Tod als Lehrer des Lebens

Für Brauneis hat der ständige Kontakt mit dem Tod ihren Blick auf das Leben verändert. „Ich habe gelernt, dass wir dem Tag Leben geben müssen“, sagt sie. „Man weiß nie, wann es zu Ende ist. Ich könnte nach diesem Gespräch nach Hause fahren, und mir fällt ein Dachziegel auf den Kopf.“ Die Arbeit mit Verstorbenen und ihren Angehörigen hat sie nicht abgestumpft – im Gegenteil: Sie versucht, jeden Tag mit Bedeutung zu füllen und anderen zu helfen. „Am Ende des Tages will ich glücklich sein, ob ich nun auf der Couch sitze oder jemandem geholfen habe.“

Ein zentraler Aspekt ihrer Arbeit ist die Trauerbegleitung. Viele Menschen begegnen dem Tod eines geliebten Menschen zum ersten Mal – und mit ihm einer Vielzahl von Emotionen: Schock, Trauer, manchmal auch Wut. „Es gibt Menschen, die schimpfen mit dem Verstorbenen, weil er sie allein lässt“, berichtet Brauneis. „Andere brechen über dem Leichnam zusammen. Jeder trauert anders, und meine Aufgabe ist es, für sie da zu sein, so wie sie es brauchen.“

Die Würde des Verstorbenen

Auch der respektvolle Umgang mit den Verstorbenen ist für Judith Brauneis von größter Bedeutung. „Für mich sind sie immer Menschen“, betont sie. „Wenn Angehörige Abschied nehmen möchten, bereite ich die Verstorbenen so vor, dass es ein würdevoller Moment wird.“ Sie berichtet von einem liebevoll gestalteten Raum im Klinikum, in dem sie Aufbahrungen organisiert. „Manchmal kommen die Angehörigen und helfen, den Verstorbenen anzukleiden. Das ist für viele ein letzter Dienst, den sie tun können.“

Doch die Arbeit bringt auch Herausforderungen mit sich. Besonders schwierig sind Fälle, in denen Kinder oder junge Menschen sterben. „Wir haben viele sogenannte Sternenkinder, die es nicht einmal ins Leben schaffen“, sagt sie. „Das ist besonders traurig. Aber ich will nicht differenzieren, welches Leben wertvoller ist. Jeder Verlust ist schwer.“

Hoffnung und Versöhnung

Brauneis selbst glaubt fest an ein Leben nach dem Tod. „Wenn ich die Verstorbenen sehe, denke ich oft, dass sie nicht mehr in diesem Körper wohnen. Ihre Seele ist woanders.“ Diese Überzeugung hilft ihr nicht nur, mit ihrer eigenen Trauer umzugehen, sondern auch den Hinterbliebenen Trost zu spenden. „Wenn mich jemand fragt, ob wir unsere Lieben wiedersehen, sage ich: ‚Ja, ich bin davon überzeugt.‘ Ich finde, man sollte die Menschen immer mit Hoffnung zurücklassen.“

Die Seele wohnt nicht mehr in dem Körper, den ich sehe. Wenn ich die Verstorbenen anschaue, dann denke ich: Sie sind irgendwo anders, und das tröstet mich.

Judith Brauneis

Im Laufe der Jahre hat Judith Brauneis gelernt, wie wichtig es ist, offene Rechnungen nicht ungelöst zu lassen. „Ich sage den Angehörigen immer: Sprecht mit euren Verstorbenen, selbst wenn es einseitig ist. Es hilft, zu verzeihen oder um Verzeihung zu bitten. Und wer weiß – vielleicht hören sie uns ja.“

Ein Blick auf das Wesentliche

Der Tod ist für Judith Brauneis kein Ende, sondern Teil des Lebens. Ihre Arbeit zeigt, dass auch in den dunkelsten Momenten Trost, Würde und Hoffnung möglich sind. „Manchmal denke ich, wir sollten uns auf das Jenseits freuen“, sagt sie. „Vielleicht gibt es dort nur Frieden und Liebe. Das ist doch eine schöne Vorstellung.“

Das Gespräch mit Judith Brauneis hat einen tiefen Einblick in ihre Arbeit und ihre Philosophie gegeben. Sie zeigt, wie wichtig es ist, dem Tod mit Respekt zu begegnen und das Leben in all seinen Facetten zu schätzen.

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