Die Ablehnung des sogenannten Zustrombegrenzungsgesetzes im Bundestag markiert einen bedeutsamen Moment in der deutschen Migrationspolitik. Mit 338 Ja-Stimmen gegenüber 350 Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen fand der von der Union eingebrachte Gesetzentwurf keine Mehrheit. Die Abstimmung zeigt einmal mehr, wie verhärtet die Fronten in der Migrationsdebatte inzwischen sind – und welche politischen Konsequenzen sich aus der Entscheidung ergeben könnten.
Die Kernpunkte des Gesetzentwurfs
Die Unionsfraktion wollte mit dem Gesetz auf die wachsende Zahl an Asylsuchenden und Migranten reagieren. Der Entwurf sah vor, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte auszusetzen – eine Maßnahme, die bereits 2016 zur Begrenzung der Migration in ähnlicher Form beschlossen wurde. Damals wurde der Nachzug für zwei Jahre ausgesetzt, 2018 dann auf monatlich 1.000 Personen begrenzt. Nach Ansicht der CDU/CSU haben sich die Belastungen für Länder und Kommunen seitdem jedoch derart verstärkt, dass eine komplette Streichung des Familiennachzugs notwendig sei.
Ein weiterer Kernpunkt des Entwurfs war die Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei. Bislang dürfen Abschiebungen nur durch die Ausländerbehörden der Länder angeordnet werden. Die Union wollte mit ihrem Gesetzesentwurf erreichen, dass die Bundespolizei in Bahnhöfen und an anderen kritischen Infrastrukturen selbstständig Abschiebungen einleiten kann, ohne zuvor die Genehmigung der Landesbehörden einholen zu müssen. Dies sollte vor allem dazu beitragen, die Zahl der vollziehbar ausreisepflichtigen Personen zu reduzieren, die sich trotz abgelehnter Asylanträge weiter in Deutschland aufhalten.
Ein umkämpfter Gesetzesvorschlag
Die politische Debatte über den Entwurf war von Beginn an hochgradig emotional. Während CDU/CSU betonten, dass eine härtere Gangart in der Migrationspolitik dringend nötig sei, argumentierten SPD, Grüne und FDP, dass das Gesetz europäisches Recht verletzen könnte. Bundeskanzler Olaf Scholz warnte zudem davor, dass Friedrich Merz mit seinem Vorschlag die Stimmen der AfD bewusst einkalkuliert habe.
Die Union hielt dem entgegen, dass das Vorhaben ausschließlich darauf abziele, die Migrationslage in den Griff zu bekommen – und dass die Ampel-Koalition bislang keine eigenen Lösungen vorgelegt habe. „Es geht um Ordnung, nicht um Ideologie“, ließ sich Friedrich Merz zitieren.
Doch die Zahlen sprechen für sich: Zum Stichtag 30. Juni 2024 waren in Deutschland 226.882 Menschen vollziehbar ausreisepflichtig, darunter 44.155 ohne Duldung. Gleichzeitig wurden im ersten Halbjahr 2024 lediglich 9.465 Abschiebungen vollzogen – ein Wert, der sogar unter dem Niveau der Vor-Corona-Jahre liegt. Die Union argumentierte, dass der Staat in dieser Hinsicht handlungsunfähig erscheine und mit dem neuen Gesetz eine echte Steuerungsmöglichkeit erhalten würde.
Ein Symbol für die Zukunft der Migrationspolitik
Letztlich wurde der Gesetzentwurf abgelehnt – ein Umstand, der die Debatte aber keineswegs beenden wird. Die Migrationspolitik bleibt eines der umstrittensten Themen in Deutschland, nicht zuletzt, weil sie das Potenzial hat, Wahlen zu entscheiden. Die Ampel-Regierung muss sich nun fragen lassen, wie sie mit der steigenden Zahl an Schutzsuchenden umgehen will, ohne die Belastungsgrenzen von Kommunen zu überschreiten.
Gleichzeitig wird die Union versuchen, das Thema im Wahlkampf weiter zu nutzen. Die Ablehnung des Gesetzes könnte ihr in die Karten spielen – insbesondere, wenn der Druck auf die Kommunen weiter steigen sollte. Für Friedrich Merz ist die Niederlage im Bundestag daher womöglich nur ein strategischer Rückschlag auf dem Weg zu einer harten Neuausrichtung der Migrationspolitik.