Auf der SXSW 2025 in Austin präsentierte Niall Firth, Executive Editor des MIT Technology Review, die zehn „Breakthrough Technologies“ des Jahres. Seit mehr als zwei Jahrzehnten erstellt die Redaktion diese Liste mit dem Anspruch, nicht nur das technisch Machbare, sondern vor allem das ökonomisch und gesellschaftlich Relevante zu identifizieren. Einige der genannten Entwicklungen könnten die Welt nachhaltig verändern – andere drohen an den Grenzen der Realität zu scheitern.
Generative KI-Suchmaschinen – das Ende des klassischen Internets?
Der Wandel der Internetsuche hat begonnen. Google und Microsoft integrieren KI-generierte Zusammenfassungen in ihre Suchmaschinen, die klassische Suchergebnisse ersetzen. Nutzer erhalten Antworten, ohne auf externe Webseiten zu klicken – ein Paradigmenwechsel, der ganze Industrien erschüttern könnte. Journalismus, SEO-optimierte Inhalte, sogar der Werbemarkt stehen vor einer Neudefinition. Die technischen Risiken sind ebenfalls beträchtlich: Künstliche Intelligenzen neigen zur Erfindung von Fakten, sie manipulieren und verzerren Inhalte – und sie wissen nicht, ob ihre eigenen Antworten korrekt sind.
Kleine KI-Modelle – die Rückkehr der Effizienz
Während OpenAI, Google und Anthropic an immer größeren Modellen arbeiten, zeichnet sich ein Gegentrend ab. Small Language Models (SLMs) sollen KI-Systeme spezialisierter, effizienter und ressourcenschonender machen. Unternehmen könnten eigene, maßgeschneiderte Modelle trainieren, ohne auf die Server der großen Tech-Konzerne angewiesen zu sein. Das reduziert Abhängigkeiten – und könnte die Debatte über Datenhoheit neu entfachen.
Robo-Taxis – ein alter Traum rückt näher
Seit Jahren kursieren Versprechen über autonome Fahrzeuge, doch erst jetzt könnte der Durchbruch bevorstehen. Waymo expandiert nach Austin, während chinesische Anbieter wie WeRide und Pony AI ganze Metropolen erschließen. In San Francisco fahren bereits Robo-Taxis ohne Sicherheitsfahrer – doch Proteste gegen blockierte Straßen und technische Pannen häufen sich. In Kalifornien und Texas plant Tesla den großflächigen Einsatz seiner selbstfahrenden Flotten. Ob die Gesellschaft bereit ist, menschliche Fahrer vollständig aus dem Verkehr zu nehmen, bleibt jedoch offen.
Grüner Stahl – ein Kampf um Emissionen und Einfluss
Die Stahlproduktion verursacht fast zehn Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen. In Schweden entwickelt H2 Green Steel eine emissionsfreie Alternative, während das US-Start-up Boston Metal Eisen mit Hochspannungsströmen gewinnt. Sollte sich emissionsfreier Stahl durchsetzen, wären die geopolitischen Konsequenzen beträchtlich. Industriestaaten könnten sich von kohlebasierten Herstellern entkoppeln – mit Folgen für Länder wie China und Indien, die große Teile des Weltmarkts dominieren.
Nachhaltige Flugkraftstoffe – das Dilemma der Luftfahrt
Die Dekarbonisierung der Luftfahrt bleibt eines der größten ungelösten Probleme der Klimapolitik. Sustainable Aviation Fuels (SAF) sollen die Branche transformieren. Während Unternehmen wie Twelve aus CO₂ synthetischen Treibstoff erzeugen, setzt LanzaJet auf Biokraftstoffe. Die EU verpflichtet Fluggesellschaften bereits, ab 2050 mindestens 70 Prozent nachhaltige Kraftstoffe zu verwenden. Doch die Produktion ist teuer, und viele Airlines drängen auf längere Übergangsfristen.
Cattle Burping Remedies – Kühe als Klimasünder
Die globale Viehwirtschaft ist für rund 20 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, vor allem durch Methanausstoß. Forscher testen Nahrungsergänzungen, die die Methanproduktion in Kuhmägen unterbinden sollen. Ein Ansatz basiert auf rotem Seegras, das Emissionen um bis zu 80 Prozent senken könnte. Ob Landwirte weltweit bereit sind, diese Lösungen in großem Maßstab einzusetzen, bleibt ungewiss.
Generative KI für Roboter – ein neuer Anlauf
Bisher erwiesen sich Roboter als erstaunlich unflexibel. Ein Burger-Wender konnte eben nur Burger wenden, ein Putzroboter nur Böden wischen. Mit Hilfe generativer KI könnten Maschinen nun lernen, sich an neue Aufgaben anzupassen. Unternehmen wie Figure AI arbeiten an humanoiden Robotern, die auf visuelle und auditive Signale reagieren. Das Potenzial ist enorm – vom Haushalt über die Altenpflege bis zur Industrie. Aber wie weit die Technologie tatsächlich ist, bleibt fraglich.
Das Vera-Rubin-Observatorium – eine neue Ära der Astronomie
In Chile nimmt dieses Jahr eines der ambitioniertesten astronomischen Projekte der Geschichte seinen Betrieb auf. Das Vera Rubin Observatory soll mit der größten je gebauten Digitalkamera eine dreidimensionale Karte des Universums erstellen. Forscher hoffen, damit das Rätsel um Dunkle Materie und Dunkle Energie zu lösen. Sollte das gelingen, wäre es eine wissenschaftliche Revolution.
Langzeit-HIV-Prävention – die Medizin macht Fortschritte
Trotz jahrzehntelanger Forschung infizieren sich weltweit immer noch über eine Million Menschen jährlich mit HIV. Das Medikament Lenacapavir könnte das ändern. Eine einzige Injektion alle sechs Monate genügt, um eine Infektion nahezu vollständig zu verhindern. Klinische Studien in Uganda und Südafrika zeigen eine Wirksamkeit von 100 Prozent. Doch die Kosten sind hoch. Gilead, der Hersteller des Medikaments, arbeitet an Lizenzen für Generika – ob das reicht, um eine breite Verfügbarkeit zu sichern, bleibt offen.
Stammzelltherapien – der nächste Versuch
Seit Jahrzehnten verspricht die Forschung bahnbrechende Heilmethoden durch Stammzellen. Doch erst jetzt scheinen die ersten klinischen Anwendungen realistisch zu werden. In den USA zeigen Tests, dass Stammzelltherapien Diabetes Typ 1 und Epilepsie entscheidend lindern könnten. Erste Patienten benötigen nach einer Behandlung kein Insulin mehr, Epileptiker erleiden deutlich weniger Anfälle. Aber wie bei vielen neuen medizinischen Verfahren ist die Frage nicht nur die Wirksamkeit – sondern auch der Preis.
Niall Firths Präsentation auf der SXSW 2025 machte eines deutlich: Der technologische Fortschritt vollzieht sich in Sprüngen – aber nicht alle Innovationen erreichen ihr Ziel. Manche Ideen klingen vielversprechend, verlieren sich aber in wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Widerständen. Andere scheinen noch Science-Fiction – und könnten dennoch den Lauf der Welt verändern.