SXSW 2025 in Austin

Zwischen Utopie und Wirklichkeit – Rückblick auf die SXSW 2025

Was gab es Neues in Austin?

Austin, Texas. Eine laue Märznacht. Die Straßen der texanischen Hauptstadt pulsieren im Rhythmus der South by Southwest (SXSW) 2025. Überall mischen sich Gespräche über die neuesten technologischen Entwicklungen mit den Klängen aufstrebender Bands. Die Stadt, einst bekannt für ihre entspannte Musikszene, hat sich in diesen Tagen erneut in ein Schaufenster der Zukunft verwandelt. Wenn Austin jedes Jahr zur SXSW ruft, dann kommen sie alle: Visionär:innen, Kritiker:innen, Gründer:innen, Künstler:innen, Manager:innen und Journalist:innen. Sie sprechen über die Zukunft, feiern ihre Innovationen und liefern sich hitzige Debatten. Dieses Jahr stand die Technik im Zeichen der Reife: Künstliche Intelligenz war allgegenwärtig, aber nicht mehr nur als faszinierende Spielerei, sondern als ernstzunehmendes Werkzeug mit realen Konsequenzen. KI, Climate Tech, Mobilität und Quantencomputing waren die vorherrschenden Themen – stets begleitet von einer gewissen Skepsis.

Meredith Whittaker, Präsidentin von Signal, sprach über die Risiken „agentischer KI“ – selbstständig agierende Systeme, die Kontrolle erlangen könnten. Ein Ethik-Panel fragte, ob KI uns eher als Partner oder als Bedrohung dient. Klar wurde: Der anfängliche Enthusiasmus ist nüchterner Realität gewichen. Man experimentiert mit KI, ja – aber niemand will die Kontrolle verlieren.

Ähnlich beim Thema Climate Tech: RJ Scaringe, CEO von Rivian, sprach über nachhaltige Mobilität. Aber Nachhaltigkeit ist mittlerweile mehr als ein Werbewort – Unternehmen müssen echte Ergebnisse liefern. Recycling-Technologien, klimaneutrale Produktion, Alternativen zu fossilen Brennstoffen – all das war präsent. Doch in Paneldiskussionen wurde auch klar: Die Diskrepanz zwischen Versprechen und Realität ist groß.

Ein weiteres großes Thema: Autonome Fahrzeuge. Waymo und Uber nutzten die SXSW für einen Pilotversuch mit Robotaxis – erste Gehversuche für eine Zukunft ohne menschliche Fahrer. Während Technologie-Enthusiasten sich begeistert zeigten, meldeten Kritiker soziale Bedenken an. Was bedeutet eine Stadt voller fahrerloser Taxis für Arbeitsplätze und Verkehrssicherheit? Das Testprojekt in Austin lieferte eine Vorschau auf diese Diskussionen.

Und dann Quantum Computing, interessanterweise vor allem gegen Ende der diesjährigen SXSW: Noch vor wenigen Jahren klang das nach ferner Zukunft, doch jetzt debattierten D-Wave und IBM in Austin über konkrete Anwendungen. Quantencomputer könnten medizinische Forschung revolutionieren, aber auch Verschlüsselungssysteme aushebeln. Auch hier war die Stimmung ambivalent: Euphorie über das Potenzial – und Sorge um die Nebenwirkungen.

Trump, Musk und die Machtfrage der Tech-Giganten

Die SXSW wäre nicht die SXSW ohne die politische Dimension. Ein besonders polarisierender Moment war der Auftritt von Elizabeth Warren, demokratische Sentorin des Bundesstaat Massachusetts. Sie sprach über die „Co-Präsidenten“ Trump und Musk und warf ihnen vor, durch Machtdemonstrationen und wirtschaftliche Dominanz demokratische Werte zu untergraben. Sie griff das Chaos auf, das Musks erratischer Führungsstil in Regierung und Tech-Industrie verursacht.

Auch die Rolle der Tech-Konzerne wurde kritischer hinterfragt denn je. Die einst gefeierten Visionäre stehen zunehmend in der Defensive. Scott Galloway, Wirtschaftsprofessor und streitbarer Kritiker, sprach von einem „Domino der Feigheit“, einem Weg in den Autoritarismus, den die Tech-Eliten durch Opportunismus ebnen. Er zeigte Konterfeis von Bezos, Altman, Pichai und Zuckerberg als umfallende Dominosteine – ein Bild, das sich einbrannte.

Galloway war einer der meistgehörten Stimmen der SXSW 2025 – und doch ist seine Rede online nicht mehr zu finden. Kurz nach der Veranstaltung wurden die Videoaufzeichnungen auf „privat“ gestellt. Die Debatte ließ nicht lange auf sich warten: War dies Zensur? Oder schlicht eine strategische Entscheidung der SXSW?

Galloway hatte Tech-CEOs und die Trump-Administration frontal angegriffen. Er sprach von einem „schleichenden Weg in den Faschismus“, einer gefährlichen Verflechtung von Big Tech und Politik. Dass seine Worte nachträglich gelöscht wurden, nährt genau die Befürchtungen, die er formulierte: Eine Kultur der Selbstzensur, in der unbequeme Wahrheiten nicht mehr ausgesprochen werden dürfen.

Musik zwischen Hype und Innovation

Musikalisch bot die SXSW wieder eine riesige Bühne für Newcomer und Stars. Rolling Stone präsentierte auf seinen „Future of Music“-Showcases Namen wie Benson Boone und Rema. Afrobeats, TikTok-Pop, Indie-Rock – die Vielfalt war beeindruckend. Metallica nutzte die SXSW, um einen VR-Konzertfilm für die Apple Vision Pro anzukündigen. Die Tech-Branche investiert immer stärker in Musik – die Grenzen zwischen den Welten verschwimmen.

KI spielte auch in der Musik eine Rolle. Musiker wie Holly Herndon demonstrierten, wie Algorithmen kreative Prozesse begleiten können. Doch auch hier war die Frage: Ergänzung oder Gefahr? Das Urheberrecht bleibt eine offene Baustelle.

SXSW 2026: Kürzer und ohne Convention Center

Die größte organisatorische Neuerung für 2026: Das Austin Convention Center steht nicht mehr zur Verfügung. Es wird in wenigen Wochen abgerissen und dann über die nächsten Jahre hinweg in doppelter Größe neu gebaut. Eine Institution des Festivals fällt damit erst einmal weg. Die Organisatoren reagieren mit einer Verkürzung auf sieben Tage – dafür sollen alle Programmteile parallel laufen. Ein mutiger Schritt, der das Festival kompakter und intensiver machen könnte.

Bleibt die Frage: Wird sich die SXSW in dieser neuen Form behaupten? Oder verliert sie ihre Strahlkraft? Das Festival bleibt ein Gradmesser für gesellschaftliche Debatten – und wenn eines sicher ist, dann dass Austin auch im kommenden Jahr wieder die wichtigsten Köpfe versammeln wird.

Fotoquelle: Steve Heap / Shutterstock.com

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