Eine rote Linie ist überschritten

Der Verfassungsschutz stuft die AfD als gesichert rechtsextrem ein

Es ist ein Vorgang von seltener Klarheit – und von ebenso seltener Konsequenz. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Partei Alternative für Deutschland (AfD) mit sofortiger Wirkung als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Damit überschreitet die Bundesrepublik eine Schwelle, die bislang noch jeder demokratischen Partei offenstand – die Schwelle zwischen radikalem Protest und verfassungsfeindlicher Bewegung. Wer nun noch behauptet, es handele sich bei der AfD um eine normale Oppositionspartei, betreibt politische Augenwischerei.

Die Entscheidung fußt auf einem akribisch geführten Prozess, der sich über mehrere Jahre erstreckte. Gerichte hatten den Weg bereitet, der Dienst hat ihn nun vollzogen. Das ethnisch definierte Volksverständnis der Partei, ihr systematisches Ausgrenzen von Menschen mit Migrationsgeschichte, die pauschale Diffamierung ganzer Bevölkerungsgruppen – all das ist kein Randphänomen, sondern Ausdruck der ideologischen Mitte dieser Partei. Was in Programmen beginnt, manifestiert sich in Wort und Tat. Und es verletzt, wie das Bundesamt nüchtern festhält, die Menschenwürde – jenes Fundament, auf dem diese Republik steht.

Man sollte sich vor Augen führen, was diese Bewertung bedeutet: Sie ist mehr als nur eine sicherheitsbehördliche Klassifikation. Sie ist ein politisches Fanal. Der Staat erklärt, dass eine im Bundestag vertretene Partei nicht mehr nur verdächtig, sondern erwiesenermaßen gegen die Verfassung gerichtet ist. Diese Feststellung ist keine Meinungsäußerung, sondern Ergebnis einer gesetzlichen Pflichtprüfung – mit drastischen Folgen für das politische Klima in diesem Land.

Dabei stellt sich die Frage: Warum hat es so lange gedauert? Schon vor Jahren war zu beobachten, wie die AfD ihre Sprache radikalisierte, ihre Kontakte zu extremistischen Gruppen intensivierte, ihre parteiinterne Kultur der Hetze gegen Muslime, Geflüchtete und Andersdenkende zur Normalität erklärte. Die Jugendorganisation ist längst als rechtsextremistisch eingestuft, führende Funktionäre geben sich keine Mühe mehr, ihre Verachtung gegenüber pluralistischen Werten zu verbergen. Die bürgerliche Fassade, so es sie je gab, ist nur noch brüchige Staffage.

Demokratie braucht ihre Verteidiger

Doch mit dieser Entscheidung ist es nicht getan. Der Verfassungsschutz ist kein politischer Akteur. Er benennt, aber er ersetzt nicht die Auseinandersetzung. Die eigentliche Verantwortung liegt nun bei Parteien, Medien, Zivilgesellschaft – und nicht zuletzt beim Wähler. Die Einstufung der AfD ändert nichts daran, dass Millionen Menschen bereit sind, ihr ihre Stimme zu geben. Es bedarf also mehr als rechtlicher Klarheit: Es braucht politische Aufklärung, gesellschaftliche Haltung und eine Debatte über die Grenzen dessen, was demokratisch sag- und machbar ist.

Denn gefährlich wird es nicht nur, wenn eine Partei die Verfassung missachtet – sondern wenn die demokratische Mitte sich an diesen Zustand gewöhnt.

Im Hintergrund dieser Entscheidung steht eine jahrelange Prüfung, gestützt durch Gerichtsurteile, Gutachten und systematische Auswertungen von Programmen und Reden. Die Bewertung berücksichtigt auch jüngste Entwicklungen – etwa die Annäherung an die „Junge Alternative“, den Bundestagswahlkampf und die Organisation der Partei im 21. Deutschen Bundestag. Vizepräsident Sinan Selen und Vizepräsidentin Silke Willems betonten, das ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis der Partei verletze fundamentale Verfassungsprinzipien und sei Ausgangspunkt einer kontinuierlichen Abwertung und Hetze. Der Schritt des Verfassungsschutzes ist damit nicht nur notwendig – er ist überfällig.

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