Es gibt Sätze, die brennen sich ein. Nicht, weil sie so klug sind. Sondern weil sie so gefährlich sind. „Globalistische Eliten haben in den letzten Jahren besonders Thüringen zur Spielwiese gemacht“, sagt Björn Höcke, Fraktionschef der AfD im Thüringer Landtag. Es ist ein Satz, der sich harmlos gibt – und doch steckt darin das ideologische Gift, das die Bundesrepublik zersetzt. In dem Satz schwingt das alte antisemitische Narrativ von der jüdischen Weltverschwörung mit, chiffriert und geschickt codiert.
Solche Sätze, hundertfach dokumentiert, bilden die Grundlage für das, was das Bundesamt für Verfassungsschutz nun mit beklemmender Klarheit festgestellt hat: Die AfD ist eine „gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“. Es handelt sich nicht mehr um einen Verdachtsfall – sondern um eine institutionalisierte Gefahr für die Demokratie.
Ein Gutachten von historischer Wucht
Das nun veröffentlichte vollständige Gutachten, das bislang unter Verschluss stand, wurde durch das Magazin Cicero der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es entfaltet auf über tausend Seiten ein Panorama der systematischen Delegitimierung der Bundesrepublik: Es analysiert Reden, Telegram-Posts, Parteitagsreden, Facebook-Kommentare, Wahlkampfslogans. Es legt offen, mit welcher Penetranz die Partei daran arbeitet, die Demokratie als Fassade darzustellen. „Es gehe nicht um eine Demokratie, sondern um eine ‚Demokratie-Simulation‘“, heißt es etwa in einer Rede des AfD-Funktionärs Andreas Mrosek.
Der Bericht zitiert Dutzende solcher Aussagen: Die Bundesregierung wird als „Marionettenregierung“ verunglimpft, die Bundesrepublik als „Besatzungskonstrukt“ dargestellt. Immer wieder ist von „Ursula von der Leyen und ihren globalistischen Herren“ die Rede oder davon, dass „George Soros und Konsorten“ das Weltgeschehen steuern würden. Der Bericht ordnet diese Formulierungen eindeutig ein: „Die verwendeten Begriffe knüpfen an antisemitische Codes der NS-Zeit an und bedienen konspirative Erzählmuster, wie sie im klassischen Judenhass zirkulieren.“
Ein Weltbild im Widerspruch zum Grundgesetz
Im Zentrum der Kritik steht das Menschenbild der Partei. Der Verfassungsschutz zeigt, wie die AfD ein ethnisch definiertes Volksverständnis vertritt, das sich gegen das Grundgesetz richtet. So sagte Björn Höcke am 29. März 2022: „Deutschland ist ein besetztes und umgevolktes Land“. Der Begriff „Umvolkung“ ist nicht zufällig gewählt – er stammt direkt aus dem Vokabular nationalsozialistischer Ideologie. Laut Gutachten verfolgt die Partei eine „ethnisch-kulturelle Volksbegrifflichkeit“, die mit Artikel 1 Grundgesetz unvereinbar ist.
Die AfD greift nicht nur die freiheitliche Ordnung an, sie greift auch deren Hüter an. Presse und Justiz werden systematisch diskreditiert. Die Partei spricht von der „Kartellpresse“, die angeblich gleichgeschaltet sei, von einem „Staat im Staate“ und von einer Justiz, die „mit dem System paktiert“. Der Bericht vermerkt dazu: „Die Medien werden als Teil eines kartellartigen Systems dargestellt, das die Wahrheit unterdrücke und abweichende Meinungen verfolge.“
Und immer wieder: die Sprache der Gewalt. Im Januar 2023 teilte der damalige Europaparlamentarier Maximilian Krah auf Facebook die Botschaft, „die Deutschen hätten sich gegen die Panzerdurchfahrten in die Ukraine zu erheben“. Ein anderer AfD-Politiker stellte auf X die rhetorische Frage: „Wann wird endlich aufgeräumt, wie deutsche Politiker von US-Oligarchen bestochen wurden?“ – eine offen aufrufende, gefährlich verschwörungstheoretische Rhetorik, die nicht länger als Randmeinung durchgeht, sondern zur DNA der Partei gehört.
Ein Prüfstein für die Demokratie
Der Verfassungsschutz hat akribisch gearbeitet. Er stellt fest, dass die AfD nicht nur durch Einzelpersonen auffällig wird, sondern dass diese Positionen „strukturell in der Partei verbreitet sind“. Es handelt sich um keinen Ausrutscher, sondern um Strategie. Ein aufgestauter Nationalismus, getarnt als „gesunder Menschenverstand“, entlädt sich in einer Sprache, die Andersdenkende entmenschlicht, Migranten pauschal kriminalisiert und politische Gegner zu Feinden erklärt.
Der Bericht ist kein Aufschrei. Er ist kein Kommentar. Er ist ein Protokoll der Radikalisierung. Und zugleich ist er eine Warnung. Denn wenn eine Partei, die vom Verfassungsschutz so eindeutig klassifiziert wird, weiter Teil parlamentarischer Prozesse bleibt, dann steht mehr auf dem Spiel als einzelne Wahlen. Dann steht das Vertrauen in die wehrhafte Demokratie selbst zur Disposition.
Noch ist es nicht zu spät. Aber es ist spät. Wer sich vor dem Gutachten des Verfassungsschutzes wegduckt, wer es relativiert, ignoriert oder taktisch umgeht, macht sich zum Komplizen. Nicht der AfD – sondern des demokratischen Verfalls.