Es beginnt mit einer leisen Entscheidung in einem Konzernvorstand, hinter verschlossenen Türen, inmitten von Juristen, Beratern und Risikoabwägungen. Und doch ist es ein lautes politisches Signal: SAP, Europas größter Softwarehersteller, hat in Reaktion auf neue Erlasse der US-Regierung unter Donald Trump seine Diversitätsziele in den Vereinigten Staaten zurückgefahren. Quoten für Frauen in Führungspositionen? Ausgesetzt. Zielvorgaben für Vielfalt im Personalwesen? Eingestampft. Verknüpfung von Boni mit Fortschritten bei Diversity? Ausgesetzt. Was wie ein betriebswirtschaftlich pragmatischer Akt erscheint, ist in Wahrheit ein Riss im Fundament der liberalen Weltordnung.
Denn was in diesen Tagen in den Vereinigten Staaten geschieht, ist kein Nebengeräusch konservativer Politik, sondern ein konzertierter Angriff auf die Idee, dass Unternehmen eine gesellschaftliche Verantwortung tragen. Donald Trump hat in seiner zweiten Amtszeit die Axt an die Programme gelegt, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten langsam, mühsam, aber wirksam für mehr Gleichberechtigung, Sichtbarkeit und Teilhabe gesorgt haben. Sein Instrument: Executive Order 14173, die Bundesaufträge an Bedingungen knüpft, die explizit gegen DEI-Maßnahmen gerichtet sind. Wer weiterhin Aufträge der US-Regierung erhalten will, muss aufhören, Vielfalt zu fördern.
Dass ein deutsches Unternehmen wie SAP diesem Druck nachgibt, ist nicht nur traurig. Es ist politisch verheerend. Denn es macht Trumps Agenda ein Stück mehr salonfähig. Es legt nahe, dass moralische Grundsätze dann zur Disposition stehen, wenn nur genug Umsatz auf dem Spiel steht. Und es setzt einen Standard, der weit über die USA hinausreicht: Wenn SAP einknickt, warum nicht auch Siemens? Warum nicht Volkswagen? Die Signalwirkung ist größer als der unmittelbare Schaden.
Dabei sind andere Wege möglich. Die Stadt Stockholm hat sich gegen ähnliche Forderungen aus der US-Botschaft gewehrt. Man werde seine eigenen Gesetze und Werte nicht aufgeben, heißt es dort. Auch einige US-Unternehmen stemmen sich gegen den politischen Druck, wenngleich unter zunehmender juristischer Bedrohung. Es gibt noch Haltung. Aber sie wird seltener. Und sie ist fragiler geworden.
Diversität, Inklusion, Gleichberechtigung: Das sind keine PR-Schlagworte, die man nach Belieben streichen kann. Es sind Versprechen, die Demokratien ihren Bürgern gemacht haben. Und es sind Verpflichtungen, die Unternehmen eingegangen sind, nicht aus Wohltätigkeit, sondern aus Überzeugung – weil gemischte Teams besser arbeiten, weil faire Strukturen zu mehr Innovation führen, weil Chancengleichheit ein Menschenrecht ist. Wer all das aufgibt, um einem Autokraten zu gefallen, verrät mehr als nur eine Policy. Er verrät die Idee von Verantwortung selbst.
Dass Trumps Politik wirkt, lässt sich längst nicht mehr nur in Paragrafen messen. Sie wirkt in Rückzugsbewegungen, in Angst, in der Sprachlosigkeit derjenigen, die es besser wissen. Sie wirkt, wenn Konzerne beginnen, ihre internen Werte zu relativieren. Wenn Compliance stärker wird als Überzeugung. Wenn Ethik zum Risiko wird.
Die Entscheidung von SAP ist kein Einzelfall. Aber sie ist ein Menetekel. Denn sie zeigt, wie weit die Normalisierung autoritärer Logik bereits fortgeschritten ist. Und sie erinnert uns daran, dass es nicht reicht, gegen Trump zu wettern. Man muss den Mut haben, gegen ihn zu handeln. Auch, wenn es kostet.
Noch ist es nicht zu spät. Aber es wird es bald sein.
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