Will Guidara auf dem Nordic Business Forum 2025 in Helsinki

Unreasonable Hospitality: Wie Will Guidara Gastfreundschaft neu definierte

Von New York an die Spitze der Welt – und was Unternehmen daraus lernen können

Als Will Guidara die Bühne des diesjährigen Nordic Business Forum in Helsinki betrat, lag ein Hauch von Neugier in der Luft. Der ehemalige Mitinhaber des weltberühmten Eleven Madison Park in New York City sprach im Rahmen des Customer Experience Tracks über ein Thema, das weit über die reine Gastronomie hinausgeht: Die Kunst der Gastfreundschaft und die Kraft menschlicher Beziehungen. In einer inspirierenden Keynote erzählte Guidara von seiner Reise, wie er und sein Team es geschafft haben, eines der besten Restaurants der Welt zu werden – nicht nur durch exzellentes Essen, sondern durch eine „unreasonable hospitality“, eine Gastfreundschaft, die weit über das Erwartbare hinausgeht. Dieser Ansatz veränderte nicht nur die Gästeerfahrung, sondern auch die gesamte Arbeitskultur im Eleven Madison Park.

Exzellenz als Voraussetzung – Gastfreundschaft als Unterscheidungsmerkmal

Als Guidara im Jahr 2006 Teil des Eleven Madison Park wurde, war das Restaurant eine unscheinbare Brasserie inmitten von New York City. Die Speisen waren gut, der Service freundlich, aber die wahre Exzellenz fehlte. Der erste Schritt war naheliegend: Bessere Zutaten, hochqualifizierte Köche und präziserer Service. Es dauerte nicht lange, bis diese Strategie Früchte trug. Die Sternebewertungen stiegen, Michelin honorierte die Leistung, und schließlich wurde Eleven Madison Park das erste Restaurant, das in einem einzigen Jahr von einem auf drei Michelin-Sterne aufstieg. Aber dann kam der Moment der Ernüchterung. Auf der Liste der „World’s 50 Best Restaurants“ landete das Restaurant „nur“ auf Platz 50. „Es fühlte sich an, als hätte ich einen Schlag in die Magengrube bekommen“, erinnert sich Guidara.

Doch genau dieser Rückschlag brachte eine Wende: Es reichte nicht, nur die besten Zutaten und den besten Service zu bieten. Die Exzellenz im Produkt ist in der Welt der Spitzengastronomie lediglich die Eintrittskarte, das „Table Stake“, wie Guidara es nennt. Das wahre Unterscheidungsmerkmal? Wie man die Gäste fühlen lässt. Aus dieser Erkenntnis entstand die Philosophie der „unreasonable hospitality“.

Die Magie der kleinen Gesten

Was genau meint Guidara mit „unreasonable hospitality“? Es geht darum, den Gast auf einer Ebene abzuholen, die weit über das hinausgeht, was in der Branche üblich ist. Eine Philosophie, die auf den einfachen, aber oft übersehenen Wunsch basiert: Gesehen zu werden. Ein Paradebeispiel? Eines Tages hörte Guidara, wie sich eine Gruppe europäischer Gäste in seinem Restaurant darüber unterhielt, dass sie in New York keinen Hotdog von einem Straßenstand probiert hätten. Anstatt diese Bemerkung zu übergehen, rannte er hinaus, kaufte einen Hotdog und ließ diesen von seinem Spitzenkoch in vier kleine Stücke schneiden und kunstvoll anrichten. Die Gäste, die zuvor Speisen von Hummer bis Kaviar gekostet hatten, reagierten auf diesen simplen Hotdog, als hätten sie das beste Essen ihres Lebens serviert bekommen. Warum? Weil es eine Geste war, die ihre Bedürfnisse und Wünsche reflektierte – ein Zeichen der Wertschätzung für ihre Individualität.

Gastfreundschaft bedeutet, kreativ und mit Absicht Beziehungen aufzubauen – mit Kollegen, Kunden und allen, die uns begegnen.

Will Guidara

„Manchmal müssen wir innehalten, um wirklich präsent zu sein“, erklärt Guidara. „In der Hektik des Alltags verlieren wir oft das Gespür für die Bedürfnisse der Menschen um uns herum.“ Dieses bewusste „Present-Sein“ in einem Augenblick ist der Schlüssel zur außergewöhnlichen Gastfreundschaft, die Guidara propagiert.

Den Wandel im Team fördern

Es waren jedoch nicht nur die Gäste, die von dieser neuen Philosophie profitierten, sondern vor allem das Team selbst. „Für das Team war es transformativ“, erzählt Guidara. „Indem wir jedem Einzelnen die Freiheit gaben, eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen, wurden sie Mitgestalter der Gästeerfahrung und fühlten sich mehr denn je als Teil des Ganzen.“ Die Schaffung der Position eines „Dreamweaver“, einer Person, die ausschließlich damit beschäftigt ist, die Ideen der Mitarbeiter in die Realität umzusetzen, war ein wichtiger Baustein. In den folgenden Monaten wurde aus einem Restaurant, das schon vorher durch Exzellenz glänzte, ein Ort der Magie, an dem sich Gäste immer wieder aufs Neue verzaubert fühlten.

So verwandelten sich spontane Einfälle in fest etablierte Erlebnisse. Wurde jemand im Restaurant verlobt, erhielten die frisch Verlobten nicht nur einen Champagner auf Kosten des Hauses, sondern auch noch die beiden speziell dafür vorgehaltenen Tiffany & Co. Gläser in der passenden Box als Andenken – eine Kooperation, die Guidara selbst ins Leben gerufen hatte. Oder ein Paar, das aufgrund von familiären Spannungen seine Hochzeit absagen musste und nur im kleinen Kreis bei Eleven Madison Park aß, erlebte eine emotionale Überraschung: Der Server fand heraus, welches Lied sie für ihren Hochzeitstanz geplant hatten. Am Ende des Abends wurden sie in einen Raum geführt, in dem das Team ein improvisiertes Hochzeitsfest feierte – inklusive ihres Liedes „Lovely Day“ von Bill Withers. Kleine Gesten, die nichts mit Kosten, sondern schlicht mit Aufmerksamkeit und Fürsorge zu tun haben.

Gastfreundschaft als langfristige Investition

Will Guidara ist fest davon überzeugt, dass diese Art der Gastfreundschaft ein Unternehmen nicht nur menschlicher macht, sondern auch wirtschaftlich profitabel ist. „Jeder Dollar, den ich für unreasonably hospitality ausgegeben habe, war weitaus effektiver als jeder Dollar, den ich in traditionelles Marketing gesteckt habe“, sagt er. Denn die Geschichten, die Gäste über solche Erlebnisse erzählen, verbreiten sich wie ein Lauffeuer – und schaffen loyale Botschafter. Diese Form der Gastfreundschaft kann in allen Branchen angewendet werden. „Am Ende des Tages arbeiten wir alle im Bereich der Dienstleistung. Egal ob wir Produkte verkaufen oder Services anbieten – wir alle dienen anderen Menschen“, so Guidara. „Und die einzige langfristige Wettbewerbsvorteil, den man hat, ist die Art und Weise, wie man Beziehungen gestaltet.“

Sein Plädoyer an die Zuhörer in Helsinki lautete deshalb: „Seien Sie kreativ und investieren Sie in die Beziehungen zu Ihren Kunden und Mitarbeitern. Schaffen Sie Momente, die über das Gewöhnliche hinausgehen. Das wird Ihr Unternehmen profitabler machen, Ihre Kunden begeistern und vor allem – es wird Sie und Ihr Team mit Freude erfüllen.“

Fotoquelle: Sami Tuoriniemi und Toivo Laiho / Nordic Business Forum

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