Informationskrieg im Internet: Christopher Wylie auf dem Web Summit 2018

Wenn es um die Wahrheit im Internet geht, wissen wir spätestens seit der US-Präsidentschaftswahl 2016, dass man es mit dieser nicht immer so genau nimmt. Im Gegenteil: Falschinformationen, Tatsachenverdrehungen und Lügen wurden gezielt verbreitet, um sich aus dem Klima der Desinformation einen Vorteil zu verschaffen.

Wie perfide und ausgeklügelt das teilweise geschah, zeigt der Fall von Cambridge Analytica. Das Datenanalyse-Unternehmen hatte mithilfe einer App Persönlichkeitstests mit Facebook-Nutzern durchgeführt und erlangte über eine Klausel Zugriff auf deren Konten. Über 50 Millionen Nutzer waren davon betroffen und wurden, nach Auswertung ihrer Profile, von Cambridge Analytica gezielt in Richtung Team Trump beeinflusst.

Ein Mann packt aus

Bekannt wurde das alles nur, weil der Whistleblower Christopher Wylie im März 2018 diese Machenschaften offenlegte. Nun, auf dem Web Summit 2018 in Lissabon, erläuterte Wylie in einem halbstündigen Gespräch mit dem britischen Journalisten Krishnan Guru Murthy mehr zu diesem Vorfall.

Laut Wylie war es seinerzeit Steve Bannon, politischer Berater und geistiger Brandstifter, der die Macht eines Informationskrieges erkannte. Diese Taktik war demnach nicht neu, sie wurde bisher nur auf einem anderen Gebiet eingesetzt. So gab Wylie an, dass diese Art der Kriegsführung in der Bekämpfung von Terrororganisationen, wie etwa dem IS, schon seit Jahren eingesetzt wird.

Krieg auf heimischen Boden

Bannon war es jedoch, der diese Taktiken auch gegen US-Bürger anwenden wollte. Man müsse lediglich politisch Andersdenkende als Gegner in einem Krieg betrachten und das System würde auch auf heimischem Boden funktionieren. Also tat er sich mit Cambridge Analytica zusammen und der Rest ist traurige Geschichte: Donald Trump ist Präsident der USA, das Land ist gespalten wie nie zuvor und Wahrheit ist in den Augen vieler mittlerweile ein mehr als dehnbarer Begriff.

Doch nicht nur Bannon und sein Team profitierten von dieser noch nie dagewesenen Wahlkampfführung. Auch für Facebook war das Geschäft mit den Fehlinformationen durchaus lukrativ, so Wylie. Denn die App mit der Hintertür zu den Facebook-Konten musste von dem Internetriesen erst abgenommen und genehmigt werden. Das geschah jedoch ohne Probleme, die Aussicht auf Umsatz durch reichlich Klicks war wohl zu verlockend.

Zwei problematische Seiten der Medaille

Christopher Wylie sieht darin auch das Problem an der Sache. Auf der einen Seite sitzen die Internetkonzerne, allen voran Facebook und Google. Diese sind nicht wirklich an einem zivilen Diskurs oder einer wahrheitsgetreuen Auseinandersetzung interessiert. Ihnen geht es vor allem um Aufrufzahlen, um damit besser Werbeanzeigen verkaufen zu können. Ethische Entscheidungen spielen dort eher eine untergeordnete Rolle.

Auf der anderen Seite sitzen die Gesetzgeber und Abgeordneten. Diese sind jedoch meist alles andere als mit der Materie vertraut. So habe sich Wylie bei Treffen mit US-Senatoren nicht nur einmal als Erklärer des Internets gefühlt, wie er selbst ausführte. Hinzukommt, dass die Mühlen im politischen System meist sehr langsam mahlen oder durch erfolgreiche Lobbyarbeit gleich ganz zum Stehen gebracht werden.

Düstere Aussichten

So sieht die Zukunft in Sachen Deutungshoheit über die Wahrheit im Internet also eher düster aus. Die gravierenden Folgen für das reale Leben haben uns die letzten Massaker und Anschläge in den USA auf schockierende Weise vor Augen geführt. Eine Antwort auf die Frage, wie man die Situation verbessern könne, hatte Christopher Wylie nicht parat. Nur einen Appell an die Zuhörer im Raum: „Denkt gut darüber nach, wie unsere Zukunft aussehen soll.“.

Fotoquelle: Seb Daly/Web Summit via Sportsfile

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