Die deutsche Wirtschaft steckt in einer anhaltenden Stagnation. Besonders der Mittelstand, das oft beschworene Rückgrat der deutschen Wirtschaft, sieht sich mit einem wachsenden Problem konfrontiert: Eine Generation von Unternehmern erreicht das Rentenalter, doch geeignete Nachfolger fehlen. Gleichzeitig verstärken regulatorische Belastungen und wirtschaftspolitische Unsicherheiten den Druck. Die Folge: Internationale Investoren und Private-Equity-Firmen übernehmen vermehrt das, was eigentlich von der nächsten Generation hätte fortgeführt werden sollen. Die Wertschöpfung wird dabei immer häufiger ins Ausland verlagert.
Die Herausforderungen des Managements
Dwight Cribb, Managing Director von Cribb Executive Search, beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Sein Unternehmen ist auf die Suche und Platzierung von Führungskräften spezialisiert. In den vergangenen Jahren hat er einen grundlegenden Wandel in den Anforderungen an Manager erlebt. „Wir haben in Deutschland eine Generation von Managern, die eigentlich keine nennenswerte Krise erlebt haben“, sagt Cribb. Die letzte größere wirtschaftliche Krise, die über den Finanzsektor hinausging, sei über 20 Jahre her.
„Heute stehen wir wieder vor einer handfesten Nachfragekrise, und viele Führungskräfte sind darauf nicht vorbereitet“, erklärt Cribb. In wirtschaftlichen Boomzeiten hätten sich viele Unternehmen mit Themen wie New Work und Diversity beschäftigt. „Doch nun rücken wieder ganz existenzielle Fragen in den Vordergrund: Wie bleibt ein Unternehmen überhaupt wettbewerbsfähig? Wie kann es langfristig bestehen?“, so Cribb weiter.
Unternehmensführung in der Krise: Klare Werte und Mut zur Veränderung
Die vergangenen Jahre waren geprägt von gesellschaftlichen Debatten und einer breiteren Verantwortung der Unternehmen. Doch in einer Krise zeigt sich, dass Unternehmen in erster Linie wirtschaftlich gesund sein müssen, bevor sie sich zusätzlichen Aufgaben widmen können. Cribb sieht hier eine klare Diskrepanz: „Wir haben viel über Selbstverwirklichung in Unternehmen gesprochen, aber wir müssen uns wieder stärker auf die fundamentalen Werte eines Unternehmens konzentrieren.“
In einer Krisensituation funktioniert ein Unternehmen nicht wie ein loses Netzwerk – es braucht ein starkes Team, das gemeinsam durch schwierige Zeiten geht.
Dwight Cribb
Ein entscheidender Faktor ist laut Cribb die Fähigkeit der Führungsebene, mit Unsicherheit umzugehen. „In Krisen haben Leute Angst und sind verunsichert. Da ist es Aufgabe der Führungspersönlichkeit, klare Richtung zu geben“, betont er. Wer in der Krise zaudert oder sich hinter Zahlen und Analysen versteckt, verliere das Vertrauen der Mitarbeiter. „Wenn die ersten Schüsse fallen und man schmeißt sich hinter den Busch, dann tut der Rest das auch. Wenn man nach vorne rennt, dann rennen sie halt mit.“
Fachkräftemangel und die Notwendigkeit flexibler Personalstrategien
Ein weiteres Problem zeigt sich in der Personalstrategie vieler Unternehmen. Gerade in Deutschland neigt man dazu, nur Kandidaten einzustellen, die bereits genau dieselbe Rolle in einem ähnlichen Unternehmen ausgefüllt haben. Cribb hält dies für einen Fehler: „Wir müssen viel mehr auf transferierbare Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale achten. Ein Learning-Mindset ist wichtiger als eine identische Karrierehistorie.“
Der Fachkräftemangel bleibt eine der drängendsten Herausforderungen. Zwar steigen die Arbeitslosenzahlen leicht, doch eine wirkliche Entspannung am Arbeitsmarkt ist nicht in Sicht. Vielmehr wird der demografische Wandel dazu führen, dass erfahrene Fach- und Führungskräfte in großer Zahl ausscheiden, ohne dass adäquater Ersatz bereitsteht. Künstliche Intelligenz und Automatisierung werden in einigen Bereichen Entlastung bringen, können aber den Verlust an Expertise nicht vollständig kompensieren.
Unternehmen brauchen echte Führung statt reines Management
Die aktuelle wirtschaftliche Situation erfordert einen Paradigmenwechsel im Verständnis von Unternehmensführung. Es geht nicht mehr nur um das Management bestehender Prozesse, sondern um echtes Leadership. Das bedeutet, in unsicheren Zeiten mutige Entscheidungen zu treffen, klare Werte zu formulieren und eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Menschen nicht nur verwaltet, sondern inspiriert.
Diese Gedanken spiegelten sich im ausführlichen Gespräch mit Dwight Cribb. Er sieht die größte Herausforderung darin, dass viele Unternehmen sich nach wie vor zu stark an alten Denkmustern orientieren. „Statt die besten Talente mit einem klaren Blick für die Zukunft einzusetzen, wird zu oft auf vermeintliche Sicherheit gesetzt“, erklärt Cribb. Doch in einer Welt, die sich immer schneller verändert, kann nur derjenige bestehen, der bereit ist, Bestehendes zu hinterfragen und neue Wege zu gehen.