Curt Simon Harlinghausen: Der kulturelle Wandel findet oftmals nicht statt.

Curt Simon Harlinghausen ist einer der Gründer der Digitalagentur akom360 in München und Düsseldorf. Er betreut zahlreiche große Kunden ist heute als Business Transformation Lead EMEA für Publicis Media weltweit unterwegs. Schon mehrfach war er auch Speaker bei 48forward und wir haben mit ihm über Digitalisierung, kulturelle Herausforderungen und kommende Innovationen gesprochen.

Du berätst seit Jahren verschiedenste Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen in vielen Bereichen der Digitalisierung. Mit welchen Herausforderungen haben Unternehmen hier aktuell am stärksten zu kämpfen?

Die drei größten Herausforderungen sind Agilität, Mitarbeiter-Entwicklung und die Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse. Agilität und Flexibilität in Bezug auf die internen Prozesse, bei der Definition von Standards als Framework anstatt eines starren Konstruktes. Unternehmen brauchen mehr Anpassungsfähigkeit an gesellschaftliche und marktbezogene Veränderungen bzw. Entwicklungen.

Sie müssen stärker auf Mitarbeiter-Entwicklung achten, um eine zukunftsorientierte Unternehmenskultur zu etablieren, die wiederum ein einheitliches Mindset erfordert, das auf ein weiterreichendes Wissen (breit oder tief) über die gesamte digitale Wertschöpfungskette hinweg gehen sollte. Das bedeutet, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter kontinuierlich weiterentwickeln müssen, um sie zu halten und dem Unternehmen eine Zukunft zu geben. Zudem bedarf es immer wieder externe Impulse durch neue Mitarbeiter oder externe (freie) Experten.

Weiterentwicklung darf dabei nicht nur Theorie bedeuten, sondern viel mehr den Aufbau von belastbaren Erfahrungswerten. Wir erleben aktuell einen massiven Wandel der Gesellschaft durch die entstandene Transparenz und die Globalisierung in der Mündigkeit des Bürgers, Kunden, Mitarbeiters – das erfordert eine neue Ausrichtung der Unternehmensstrategie.

Wir haben den Eindruck, dass der kulturelle Wandel in Unternehmen häufig viel zu kurz kommt. Das führt dazu, dass Mitarbeiter unsicher werden, Angst bekommen und schließlich ihre Motivation verlieren. Teilst Du diesen Eindruck?

Der kulturelle Wandel findet oftmals nicht statt. Das ist der eine Punkt. Die Unsicherheit der Mitarbeiter entsteht durch fehlende Führung und klare Visionen/Vorgaben, was oft an mangelnder Entwicklung auch in den Management- und Führungsebenen liegt. Ja, viele Unternehmen haben einen digitalen Body, aber der Kopf ist analog – das kann nicht gut gehen oder funktionieren.

Wovor haben Mitarbeiter in Unternehmen aktuell am meisten Angst? Kompetenzverlust, Jobverlust durch Automatisierung, Jobverlust durch Einsparungen oder etwas ganz anderes?

Die beiden größten Ängste sind, meiner Meinung nach, die vor dem Verlust der Bequemlichkeit und die Angst vor fehlender persönlicher Entwicklung, davor den Anschluss zu verpassen.

Es geht nicht darum zuzuhören, sondern darum sie zu verstehen.

Wie schwierig ist es, Kunden beizubringen, dass sie nicht nur in die Implementierung technologischer Veränderungen investieren müssen, sondern auch ein nachhaltiges, langfristig gedachtes Budget für den kulturellen Wandel einplanen müssen?

Das hängt von der Offenheit bzw. dem Druck im Management ab. Es geht nicht darum zuzuhören, um auf die Fragen des Wandels zu antworten, sondern darum sie zu verstehen. Dann kann man auch nachhaltig antworten.

Welche technologischen Trends werden Unternehmen in den nächsten fünf bis zehn Jahren am stärksten durchrütteln?

  • Entscheidungen auf Basis von Daten, wenn sie (3C) Consistent, Complete und Correct sind.
  • Automatisierung von Prozessen
  • Security & Hacking, weil die Welle des Cyberwar uns überrollen wird und immer kommerzieller wird. Auch hier gilt es den Mitarbeiter früh und umfangreich zu sensibilisieren und zu trainieren.

Wir sind in manchen Bereichen hinterher und in manchen weit vorne.

Wie siehst Du Deutschland aktuell im internationalen Vergleich, wenn es um Digital Readiness geht? Sind wir bereit oder laufen wir den anderen hinterher?

Wir sind in manchen Bereichen hinterher (Agilität, große Projekte, Mindset, (Fail-)Culture, …) und in manchen weit vorne (Nachhaltigkeit, Effizienz, Konsequenz, …) – alles in allem müssen wir in Deutschland einen Zahn zulegen und mit der (Aus-)Bildung anfangen, sonst stehen wir mit den kommenden Generationen aus Asien, Indien oder Russland im Nachteil.

Bei uns stehen uns oftmals viele, teils auch berechtigte Datenschutz-Interessen im Weg, wenn es um viele Bereiche der Digitalisierung geht – gerade bei der Auswertung von Daten. Siehst Du einen gangbaren Weg zwischen dem Schutz der Daten und ihrer Verwendung oder sollten bzw. müssen wir uns von unseren Privatsphäre-Idealen verabschieden?

Das Datenschutz-Thema ist für mich nur eine Ausrede. Wenn ich etwas erreichen will und auch entsprechenden Willen/Mut/Ausdauer habe, kann ich (fast) alles legal umsetzen. Dafür haben manche unserer Kunden in ihrer Marketingabteilung Anwälte eingestellt, um für die Umsetzung zu kämpfen und Lösungen zu finden, statt diese zu verhindern.

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