Wie Flickr und Facebook ungewollt die Welt veränderten

Das Jahr 2004, es war ein ereignisreiches. John Kerry unterlag George W. Bush bei der Wahl zum US-Präsidenten, inklusive einer bis heute nicht ganz sauber anmutenden Stimmauszählung. Ende Dezember verwüstete ein Tsunami im Indischen Ozean zahlreiche Länder im asiatischen Raum und forderte über 200.000 Menschenleben. Und Griechenland wurde unter Trainer Otto Rehhagel das erste Mal Fußball-Europameister.

Allerdings gab es noch zwei weitere Vorkommnisse, deren weitreichende Folgen damals nicht im Ansatz abzusehen waren. Zum einen gründete ein Student der Harvard University das Portal Facebook, mithilfe dessen sich Kommilitonen von da an untereinander vernetzen konnten. Zum anderen implementierte der Onlinedienst Flickr einen sogenannten activity feed auf seiner Plattform. Nur 12 Jahre später wurde just wegen diesen beiden Ereignissen Donald Drumpf Präsident der USA und die Briten votierten für einen Austritt aus der Europäischen Union.

Geburt eines Ökosystems

Ganz so simpel sind die Dinge dann zwar nicht, aber beide Ideen hatten und haben unzweifelhaft einen enormen Einfluss auf den Zustand unserer Welt. Caterina Fake, Co-Founderin von Flickr, erläuterte während der Slush 2017 in Helsinki den Zusammenhang. Der sogenannte actifity feed, sorgte damals nämlich zum ersten Mal dafür, dass man die Aktivitäten seiner Freunde direkt auf der Startseite zu sehen bekam.

Darüber hinaus konnten andere Leute auf die eigenen Posts reagieren. Ein Algorithmus sorgte dann dafür, dass man bevorzugt Fotos und Beiträge zu sehen bekam, die mit den eigenen Interessen übereinstimmten. Die Idee dahinter ist einleuchtend: Person XY interessiert sich für Fußball, warum ihr also nicht möglichst viele Gleichgesinnte zeigen, damit sich diese dann über die gemeinsame Leidenschaft austauschen können? Unbewusst und anfangs völlig unbemerkt war das die Geburtsstunde der Filterblase.

Hier bin ich Mensch, hier darf ich hetzen

Diese Filterblasen sind es, die die globalen, teilweise unverständlichen, Wahlergebnisse der letzten Jahre zumindest ein wenig erklären. Nie war es für Populisten und Volksverhetzter so einfach, Unheil anzurichten und Gehör zu finden wie heute. Man möchte meinen, in einer derart vernetzten und aufgeklärten Welt wie der unseren haben Bauernfänger längst keine Chance mehr – weit gefehlt.

Wer sich in diesen Blasen aufhält, und das tut jeder, der regelmäßig Social Media Plattformen nutzt, bekommt zwangsläufig nur seine eigene Weltansicht bestätigt. Man trifft sich dort mit Menschen der gleichen Gesinnung, tauscht sich mit diesen über Themen aus, zu denen man die gleiche Meinung hat und wird in den eigenen Ansichten immer mehr bestätigt. Das ist prinzipiell auch nichts Verwerfliches.

Problematisch wird es nur dann, wenn man sich anderen Ideen und Glaubensansätzen, die nicht in das eigene Weltbild passen, gänzlich verschließt. Fängt man dann auch noch an, die Posts in der eigenen Blase als einzige Nachrichtenquelle zu konsumieren und unabhängige Journalisten und Medienagenturen zu diskreditieren, bloß weil deren Berichte und Recherchen sich nicht mit der eigenen Meinung decken, muss man sich über die 13% der AfD auch nicht mehr wundern.

Ein gefährlicher Schneeballeffekt

Und die Folgen in der Realität sind dabei verheerend. Nehmen wir beispielsweise den Lieblingsausspruch von Donald Drumpf: fake news. Mit diesem schmeißt er um sich wie Köllner an Karneval mit Kamellen, wann immer ihm ein Bericht über sich selbst nicht gefällt. In den letzten beiden Jahren hat er so oft fake news gebrüllt, dass die Worte zu einem geflügelten Idiom geworden sind.

Als dann vor ein paar Wochen schockierende und abstoßende Videos über eine Sklavenauktion in Libyen, aufgenommen von verdeckten Journalisten, veröffentlicht wurden, fiel der ortsansässigen Regierung nichts Besseres ein, als die Berichte als fake news zu bezeichnen. Als wäre damit alles gesagt, als wäre das Thema automatisch erledigt und als hätte es die Videos nie gegeben.

Fake(s) Hoffnungen

Wenn die Menschen also nicht endlich aufwachen und sich jenseits ihrer Filterblasen über die Welt informieren, mit Personen austauschen, die eine andere Meinung vertreten und in den Diskurs gehen, werden wir bald in einer Welt wohnen, in der Populisten die Wahrheit festlegen. Der Zerfall unserer Werte beginnt schleichend – bis er nicht mehr aufzuhalten ist.

Und nein, es ist nicht lustig, eine Aussage als fake news zu betiteln, nur weil man dieser widerspricht. Und es ist noch weit unlustiger, die Presse mit Nazijargon zu diskreditieren. Umso erschreckender, dass diese beiden Dinge immer salonfähiger werden.

So schwarz sieht es Caterina Fake in ihrem Ausblick auf die Zukunft dann nicht, im Gegenteil. Sie ist optimistisch, dass die Plattformen, die die Werkzeuge für derartige humane Ausfallerscheinungen anbieten, nicht ewig existieren werden. Diese Unternehmen mögen zwar im Moment wie Monopole wirken, allerdings dachte man damals auch, so Fake, das Gottesgnadentum hätte auf ewig bestand. Bleibt zu hoffen, dass sie Recht behält und ihrem Namen keine Ehre macht.

Bildquelle: Photobank gallery / Shutterstock.com

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