Vom Aufbrechen und Neuerfinden. Und was das mit Vordenken zu tun hat

Unsere Gegenwart ist geprägt von maximaler gesellschaftlicher, medialer und technologischer Interdependenz. Heute ist es nicht einmal mehr egal, wenn in China ein Sack Reis umfällt. Die Welt erscheint wie ein riesiges, wahnsinnig komplexes Labyrinth und wir stehen mitten drin. Die Frage ist: In welche Richtung sollen wir laufen? Wie schaffen wir es, Entscheidungen unter extremer Unsicherheit zu treffen?

Indem wir Möglichkeiten und Wege sehen, statt uns von den Wirren der Gegenwart niederdrücken zu lassen. Indem wir unsere Zukunft gestalten. Dabei hilft Futures Thinking.

Vom Machbaren zum Möglichen

Die Zukunft inspiriert die Gegenwart, die Gegenwart macht das Kommende real. Unsere Vorstellung von der Zukunft beeinflusst, wie wir heute handeln, in welche Richtungen wir forschen und welche Ideen wir verwerfen. Zukunft entsteht immer aus einem Konglomerat von Geschichte, Realität und Fiktion – gib mir gestern, heut und morgen.

Elon Musk sagte einmal: “I‘m not trying to be anyones saviour. I‘m just trying to think about the future and not be sad.” Genau das ist es doch! Zukunft ist nichts, was uns passiert. Wir kreieren sie.

Futures Thinking setzt hier an: Es geht dabei um nicht weniger als die radikale Abkehr vom Machbaren hin zum Möglichen. Es ist eine Methode, bei der die Komplexität der Gegenwart nicht als Hürde, sondern als Chance gesehen wird.

Zukunftsforschung heute – von Fakten zur Intuition

Unser Gehirn ist ein Szenarien entwickelndes Organ. Permanent scannt es unsere Umwelt, verarbeitet die wahrgenommenen Reize. Es versucht, aus diesen Informationen Entwicklungen der Zukunft vorherzusehen und darauf zu reagieren. Im Anschluss geht unser Denkorgan sicher, dass tatsächlich die richtigen Schritte eingeleitet wurden und überprüft alternative Handlungsmöglichkeiten. Futures Thinking macht nichts anderes. Aber nicht spontan, sondern gezielt.

Futures Thinking verstehen wir als kongeniale Ergänzung von Design Thinking. Während Letzteres eine perfekte Methode ist, um die Welt zum Wohle des Nutzers zu gestalten, kommt man  in Hinblick auf die fernere Zukunft damit nicht weiter. Futures Thinking wagt den Blick in die Ferne. Sowohl das Zeitfenster für die Vision als auch für die Investigation in der Vergangenheit werden größer.

Es geht darum, mit Hilfe sehr schwacher Signale von zukünftigen Trends zu arbeiten, sie aufzugreifen und mutig zu verfolgen. Auch, wenn direkt vor der Haustür ein aktuelles Hype-Thema steht, das viel lauter nach Beachtung schreit. Futures Thinking setzt auf Intuition, Educated Guessing und Fantasie.

Zukunftsforschung heute will keine Vorhersagen treffen, sondern mögliche Implikationen aktueller Entwicklungen aufdecken.

Futures Thinking – der Prozess

In einem Futures Thinking Prozess ist der erste Schritt, eine klug kombinierte Gruppe von Experten mit heterogenen Blickwinkeln zusammenzubringen. Diese Heterogenität schließt Aspekte wie Expertise, Alter, Unternehmenszugehörigkeit oder andere Interessen ein.

Perspektiven eröffnen

Bevor man sich innerhalb eines Futures Thinking Workshops auf den Weg in die Zukunft macht, wird den Teilnehmern ein Setting aus schwachen und starken Trends, Entwicklungen, Gedanken und potenziellen Extremen präsentiert.

Es geht darum, neue Möglichkeiten wahrzunehmen und gemeinsam zu generieren. Das Denken wird sozusagen geweitet. Und auf einmal tun sich Perspektiven auf, die vorher nicht vorhanden waren. Dabei wird der Zustand des relativen Nicht-Wissens erst einmal noch verstärkt.

Nach den Sternen greifen

Anschließend geht es in die Szenarien-Entwicklung. Wie in einer Science Fiction Story werden Möglichkeitsfelder gesucht. Dabei gilt es für die Teilnehmer, möglichst groß zu denken und sich von den eigenen bisherigen Zukunftsvisionen frei zu machen.

Welche Visionen weiter verfolgt werden, entscheiden die Teilnehmer per Konsens.

Auf dem Boden der Tatsachen

Ausgehend von den kühnsten Visionen, wie das Zukünftige aussehen soll, muss man langsam den Weg zurück zur Erde planen.

Nehmen wir das Beispiel Ikea: Der Möbelhersteller hat mit „Rumtid“ eine Kollektion entworfen, mit der man es sich einrichtungstechnisch auch auf dem Mars gemütlich machen könnte. In einem Workshop hieße die entsprechende Zukunftsvision: Lasst uns den Mars besiedeln. Da der Mars momentan noch zu weit weg ist, wäre die Frage, ob sich schon mal eine Abteilung bei Ikea damit beschäftigt hat, mit welchen Materialien man die Mars-Kollektion bei uns bauen könnte.

Pläne schmieden

Zurück im Heute prüft man schließlich die Möglichkeitsräume, um loslegen zu können. Alle Teilnehmer nehmen die Ergebnisse mit in ihre Abteilungen und operationalisieren sie. Der große Vorteil: Nach dem Futures Thinking Prozess haben alle die gleiche Vorstellung von der wünschenswerten Zukunft. Egal, ob Legal Affairs, Materialentwicklung oder Marketing.

Zukunftsspekulation ist keine Glaskugel

Futures Thinking ermöglicht Unternehmen, durch einen gezielten Blick nach vorn die Basis für langfristige Richtungsentscheidungen zu treffen. Am Ende des Prozesses steht dabei keine gesicherte Wahrheit, kein Masterplan für die nächsten zehn Jahre. Aber: Futures Thinking schafft den Raum, das Thema positiv anzugehen und macht Lust, Zukunft wieder selbst zu gestalten.

Die Methode hilft Mitarbeitern, das Kommende als große Chance zu sehen, nicht als dunkle Wolke am Horizont. Schöner Nebeneffekt: In einem kollaborativen Prozess über die Zukunft nachzudenken, schafft ein geteiltes Verständnis für Möglichkeiten und verbindet Menschen im Unternehmen über Disziplinen und berufliche Zwecke hinweg.

Ein gemeinsamer „Traum“ von der Zukunft kann ein Leitstern sein, der Kräfte im Unternehmen kanalisiert und hebt.

Fotoquelle: Dmitriy Rybin / Shutterstock.com

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