SXSW 2023: Recap aus Texas

Bericht aus Austin
SXSW 2023 in Austin

Die SXSW 2023 war wieder einmal großartig, erkenntnisreich und inspirierend, mit Teilnehmern aus der ganzen Welt, die in Austin zu einer Vielzahl von Themen und Diskussionen zusammenkamen – und zum Netzwerken. Ob Techniker oder Unternehmer, Filmschaffende oder Musiker, man trifft sich, tauscht sich aus, verändert seine Sichtweise. Aus deutscher Sicht ist es immer wieder besonders spannend, dass man als Teilnehmer nicht nur sein internationales Netzwerk pflegen und ausbauen konnte, sondern auch mit so vielen deutschen Peers, die am Ausbau der Zukunftsfähigkeit Deutschlands arbeiten konnte, über mehrere Tage einen intensiven Austausch pflegte, Beziehungen aufbaute und in Tiefendiskussionen einstieg, wie es vor Ort in Deutschland nahezu undenkbar wäre.

Auch der positive Spirit bei nahezu allen Teilnehmern, der Wille, sich für eine begehrenswerte Zukunft stark zu machen und einzusetzen, das Zusammentreffen mit Menschen, die in Möglichkeiten und Chancen denken und nicht in Risiken, das ist in Deutschland zwar nicht undenkbar, aber doch sehr selten. Leider.

Für mich war es die 10. SXSW, eine mit einem sehr breiten Themenspektrum, von Arbeitswelt über Cannabis, Design und Gesellschaft, Medien und Technologie bis – und das vor allem – Z wie Zukunft. Dazu unten mehr: 2023 – einige Eindrücke.

Hintergrund

1987 als kleines Musik Festival gegründet, 1994 dann um Film und Interactive erweitert, sind Music & Film geblieben und aus der Interactive wurde in 2016 oder 2017 dann die Conference, die sich neben Digitalisierung mit diversen Themen unserer gesellschaftlichen Entwicklung auseinandersetzt.

Nach dem Launch von Twitter Mitte 2006 hatte der Microblogging Dienst seinen absoluten Durchbruch auf der SXSW 2007. 2009 kam dann Dennis Crowley mit Foursquare. Danach folgten immer mehr Start-ups dem Ruf Austins – so wie auch ich. Statt des nächsten big thing entdeckte das big money Austin, denn die big brands sahen in den Teilnehmern mehr und mehr ihre Zukunftskunden und vor allem wertvolle Multiplikatoren. Accenture, Budweiser Brewing Company APAC, Capital One, Chevrolet, Deloitte, McDonald’s, Microsoft, Monster Energy Samsung Electronics, Sony und viele mehr gaben sich mit beeindruckenden Auftritten und Installationen vor Ort die Ehre und buhlten um die Gunst der Teilnehmer und um Medienreichweite.

Auch die Länder, Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden, UK etc. betrieben eigene Häuser und engagierten sich, um die Digital-Community für sich zu gewinnen. Das German Haus at Lucille war großartig, ständig gut besucht, tolle Events u.a. von TechCrunch, Werner Vogels war dort anzutreffen, wie auch viele andere Unternehmensvertreter und Start-ups. Die SXSW war ein Schmelztiegel Digitalen Mindsets, zog sich vom Hyatt Regency Austin im Süden bis zum AT&T Hotel and Conference Center im Norden. Fast alle Hotels der City hosteten Sessions, Workshops oder Networking-Events.

2015 blitzte dann mit der live Video Broadcasting App Meerkat das mögliche next big thing der SXSW auf, auf das viele schon gewartet hatten. Das Erdmännchen ist dann aber recht schnell wieder in seinem Bau verschwunden.

Mit dem Kommen der großen Marken ging dann aber auch ein Schwinden der kleinen Start-ups einher. Kein Stück gratis-Pizza mehr auf der Trinity für einen Tweet mit Empfehlung der neuen App, keine kreativen Verkleidungen mehr, um auf die neue Plattform aufmerksam zu machen. Alles wurde professioneller, kommerzieller – und teurer. Irgendwie eine Art Gentrifizierung der SXSW.

Nach dem Covid-19-bedingten Ausfall waren 2021 dann doch wieder überraschend viele Unternehmen präsent, allerdings – weniger überraschend – nur sehr wenige Teilnehmer. Zu groß war noch die Sorge vor einer Infektion, zu groß die Zurückhaltung der Unternehmen, ihre Mitarbeiter nach Austin zu schicken. Der Vorteil für alle die dort waren: Man kam in jede Session, kein Anstehen, kein Wegschicken. Selbst die immer heiß begehrten Workshop Sessions boten noch freie Plätze.

Und heute?

2023: In diesem Jahr war es anders. Nur eine Hand voll Hotels hostete Sessions und Workshops, gefühlt bewegte man sich untertags fast nur zwischen Hilton Austin, JW Marriott Austin und Austin Convention Center. Die Sessions waren nicht mehr wie früher alle auf Kante genäht, sondern es gab Pausenzeiten, gestartet wurde etwas später und nach 17:00 fanden nur selten noch Conference-Veranstaltungen statt. Weniger Stress, bessere Planbarkeit, etwas mehr Zeit für’s Netzwerken. Als Apps, die 2023 die SXSW als Launchpad zu nutzen versuchten sind mir die AI-based News App Artifact (unten mehr dazu) sowie die Social Location App Truffel in Erinnerung geblieben, letztere eine Art Yelp bzw. Swarm (foursquare) unterstützt durch AR, entwickelt gemeinsam mit Niantic, Inc., dem Schöpfer von Pokémon Go.

Austin wächst – und verändert sich

Die City of Austin ist heute ein anderes Austin, als das von vor 13 Jahren, als wir uns kennenlernten. Die Stadt platz aus allen Nähten. Austin steht nicht nur auf der Liste der schnellst wachsenden Städte der USA ganz oben, es ist auch die schnellst wachsende Stadt der Millionäre. Es geht um’s große Geld – und das merkt man. Mein früher mal genutztes 2-Sterne Motel – ein Stern für den „Pool“, einer für das „Breakfast“ (Karaffe mit Pulver-Orangensaft & Korb mit Müsliriegeln) – kostete damals rund 180 Euro/Nacht – in 2023 wären es 380 Euro gewesen.

Fotoquelle: Daniel Fürg

Die Rainey Street ist eines der verblassenden Relikte aus 2010, ein trauriger Beweis dafür, dass Kultur Kommerz weichen muss. Von Jahr zu Jahr verblasst ihr Charme ein wenig mehr, so wie der von Austin. Statt Bar im Holzhaus mit Garten heißt es heute Luxus-Condos für $600K pro 1-Zimmer-Apartment. Aber Städte verändern sich und Gentrifzierung ist in diesem Zusammenhang weder ungewöhnlich, noch zu vermeiden. Das bringt die magnetische Wirkung von Austin einfach mit sich.

2023 – einige Eindrücke.

Keine Frage, die Künstliche Intelligenz hatte die SXSW übernommen. Noch nicht deren Planung, Organisation und Durchführung, aber zumindest inhaltlich.

Themenstränge gab es zwar viele ….

  • Cannabis, Design, Energie, Ernährung, Gesellschaftliches Engagement, Gaming, Gesundheit & Medizin, Klimawandel, Kultur, Märkte & Volkswirtschaften, Medien, New Work, Psychedelika, Reisen & Freizeit, Sport, Start-ups, Tech, Transport, Werbung & Marken, XR & Metaverse

… aber so richtig dominant war keiner, zumindest nicht im Vergleich zu 2022, als gefühlt jede dritte Sessions zu Cannabis angeboten wurde und an jeder Ecke Austins neue NFTs gedropt bzw. deren Drops angekündigt wurden. Hasen, Cowboys, Affen, Tickets oder auch ein eigenes Blockchain-based DNS und neue Chain-Domains machten es einem Besucher damals schwer, diesem Thema zu entkommen.

In 2023 lag ein thematischer Schwerpunkt recht deutlich auf den Auswirkungen der technologischen Entwicklung auf die Gesellschaft und die Arbeitswelt. Dabei ging es neben Manipulation durch Fake News und Deep Fakes u.a. um die zunehmende Automatisierung und den Einfluss von künstlicher Intelligenz auch auf Arbeitsplätze.

Storytelling, Content, News & die Pleite der Silicon Valley Bank

Storytelling ist und bleibt die hohe Kunst des menschzentrierten Marketings. Kaum jemand beherrscht die Kunst des Storytellings so gut wie The Walt Disney Company. Bei Storytelling geht es um viel mehr als nur um Geschichten. Es geht darum, sich auf die Menschen einzulassen, sie abzuholen, sie mitzunehmen. Und dieses Mitnehmen wird immer wichtiger, wenn es um Digitalisierung und Automatisierung geht. Wir können so viel von Disney lernen. Darüber, wie wir Menschen emotional ansprechen, ihnen die Angst vor Technologie nehmen und sie begeistern. Josh D’Amaro hat eindrucksvoll gleich zu Beginn der SXSW gezeigt, wie dies gelingt. Menschlich und technologisch – mit Laserschwert und mithilfe eines Roboters, der an SEGAs Sonic the Hedgehog erinnerte, mit Helm.

Der Creator Economy waren gleich einige Sessions gewidmet:

  • Die Zukunft von Fandom und Engagement mithilfe von Plattformen wie z.B. Instagram und TikTok. Wie wird Engagement bei der GenZ erzeugt, wo bewegt sich diese Generation?
  • Auch die Suche im Internet verändert sich. SEM und SEO richten sich immer stärker an Content-Plattformen aus. Google dominierte bisher mit Abstand den Search-Markt (rund 85% Marktanteil) und konnte rund um die Internetsuche eines der finanzstärksten Unternehmen der Welt aufbauen. Aber die Dinge ändern sich – und sie ändern sich schnell.
  • Immer mehr Nutzer – allen voran die der Generation Z – wenden sich Social Plattformen wie TikTok und Instagram zu, um nach Inhalten zu suchen. Bis zu 40 % der GenZ präferieren inzwischen diese Plattformen für ihre Erstsuche gegenüber Google. Einerseits sehen wir Suchen in Vertikalen, andererseits verlagert sich die Suche auch auf unterhaltende, sehr visuell ausgerichtete Plattformen. Dazu kommen – weniger visuell aber dafür Community-validiert – Plattformen wie Reddit. Es ist interessant zu beobachten, wie wenig Authentizität vermittelnde Video-Plattformen und gemeinschaftlich erstellte und gegenseitig validierte Content-Angebote gleichfalls als Ausgangspunkt für die Suche genutzt werden.
  • Eine weitere Entwicklung, Conversational AI, verändert die Content-Landschaft ebenfalls, angefangen mit der Suche. Microsoft integrierte Version 3.5 von OpenAI’s ChatGPT integrierte in Bing woraufhin die Downloadraten der Bing App sprunghaft anstiegen. Google sah sich daraufhin gezwungen, früher als geplant seinen ChatGPT-Rivalen Bard einzuführen und Baidu, Inc. seinen noch unfertigen Ernie Bot.
  • 2010 gründete Kevin Systrom zusammen mit Mike Krieger Instagram und verkaufte es nur 2 Jahre später für rund 1 Milliarde Dollar an Facebook (heute Meta). 2018 verließ er den Konzern und stellte im Januar dieses Jahres – und gerade auf der SXSW – mit Artifact eine News App vor, eine personalisierte Anwendung zum Lesen von Nachrichten und Inhalten, KI-kuratiert. So soll es ermöglicht werden, exakt die News zu erhalten, die einen wirklich interessieren, aus journalistischen Quellen, die für Qualität stehen.

    Da Artifact 100% seiner finanziellen Assets bei während der SXSW kollabierten Silicon Valley Bank lagerte, war auch das Scheitern der ebendieser Bank ein Thema zwischen der Journalistin Kara Swisher und Kevin Systrom. Da die Gründer bisher allerdings erst ein kleines Team um sich geschart hätten und weil sie über „ausreichend persönliche Liquidität“ verfügen, beunruhigte ihn der Zusammenbruch der SVB nur wenig. Aber er warnte davor, dass diese Ereignis nur ein Vorgeschmack auf Schlimmeres sei, mit dem sich das Silicon Valley noch konfrontiert sähe.

Ich habe beide Krisen aus der Ferne gesehen. Und die Muster wiederholen sich immer und immer und immer wieder. Aber man merkt, dass es niemanden interessiert. Denn solange man auf dem Weg nach oben Geld verdient, ist es wie bei der Reise nach Jerusalem – wenn man nur einen Platz findet, bevor alles zusammenbricht, verdient man eine Menge Geld, geht weg und ist glücklich, aber es stellt sich heraus, dass es viele Leute gibt, die am Ende ohne Sitzplatz dastehen. Und ich denke, dass das für die Bay Area im Allgemeinen verheerend ist, die bereits mit einem enormen Wohlstandsgefälle zu kämpfen hat.

Kevin Systrom auf der SXSW

In Bezug auf kreative Konzepotion war auch die Session von @lawnick von Accenture Song interessant. Die Welt wird bekanntermaßen immer komplexer – das C im inzwischen von BANI abgelösten VUCA Modell drückte dies ja bisher aus – was Konvergenzen bisher häufig getrennter Bereiche erfordert. Darauf müssen sich auch die Agenturen einstellen.

Text, Design, Brand, Performance aus einem Guss. Dies erfordert häufig neue Strukturen. Hier müssen sich auch Organisationen anpassen und mitgehen.

ChatGPT, die Arbeitswelt und die Macht von generativer KI

  • ChatGPT 3/3.5 ist die am schnellsten wachsende Anwendung aller Zeiten. 1 Million Anwender in nur 5 Tage, 100 Millionen in gerade einmal zwei Monaten – und das, obwohl die Website aufgrund zu viel Traffic häufig nicht erreichbar war. ChatGPT 4 wurde wenige Tage nach Greg Brockmans Auftritt auf der SXSW veröffentlicht . Es steckt unfassbar viel Potenzial in (generativer) KI, wenn wir sie bewusst, sinnvoll und ethischen Grundsätzen folgend einsetzen.
  • Jetzt ist er also da, der Text Generator, den OpenAI 2019 laut The Guardian noch nicht veröffentlichte, da die Entwickler befürchten, dass er negative Folgen auf die Gesellschaft haben und missbräuchlich eingesetzt werden könne. Greg sieht das heute offensichtlich nicht mehr so. Er sieht in ChatGPT Deinen persönlichen 24/7 Assistenten. Einen, der auch mal Fehler macht, wie ein Mensch, der aber jede Menge Arbeit für Dich erledigt, recherchiert, Texte vorformuliert, Ideen und Konzepte entwickelt. Gerade im Unterstützen von Kreativität sieht Brockman ein klares Ziel seiner Entwicklung, denn er möchte, dass ChatGPT Blockaden löst, Ideen liefert und seine User inspiriert.
  • So positiv und unbekümmert Greg das alles vorstellt, so wenig offen wird OpenAI in Zukunft sein. Es geht um Wettbewerbsvorteile, da war es eben nötig, die Offenheit aufzugeben. Aha. Wir erinnern uns: Gegründet wurde OpenAI als Non-Profit u.a. durch Elon Musk. Ziel sollte sein, KI zu erforschen, neue Modelle zu entwickeln, Erkenntnisse zu generieren und diese mit anderen zu teilen. So viel dazu, schön wär’s gewesen.

Ich glaube, jetzt sehen die Menschen ChatGPT und sagen „WOW“. Du siehst die Möglichkeiten.

Greg Brockman auf der SXSW

Wir stehen in Deutschland vor einem massiven und zunehmenden Fachkräftemangel. Alleine in der öffentlichen Verwaltung prognostiziert McKinsey & Company in ihrer aktuellen Studie „Action, bitte!“ rund 840.000 fehlende Mitarbeiter in 2030. PwC geht da noch etwas weiter und sieht die Lücke bei über 1 Million. Das ist in etwas jede 5. Stelle: unbesetzt. Digitalisierung und Automatisierung werden zwei mögliche Antworten darauf sein. Auch hier werden KI-basierte Tools wie ChatGPT unterstützen und zu einer Steigerung der Produktivität führen. Nach Greg Brockman hat generative KI, so wie ChatGPTDALL-E oder Midjourney, das Potenzial, , aus „Arbeitern“ „Manager“ zu machen, deren Aufgaben in der Priorisierung, Orchestrierung und Delegation liegen, Fähigkeiten zu Umsetzung dabei aber nicht mehr primär von Nöten seinen.

New Work, gekommen um zu bleiben, bringt neue Herausforderungen.

Wie sieht sie aus, die Zukunft der Arbeit, insbesondere auch im Hinblick auf die sich verändernden Arbeitsbedingungen durch die Digitalisierung, den zunehmenden Einsatz künstlicher Intelligenz und die zunehmende Verbreitung von Remote-Arbeit?

Wird sich die von der GenZ häufig geforderten 4-Tage-Arbeitswoche (32h) durchsetzen – bei 40h Bezahlung? Ein spannendes Thema dann auch bei abendlichen Gesprächen, mit einigen Unternehmensvertretern und Gründern, von denen zwei selbst der GenZ angehörten. Von Bewerbern hörten sie immer häufiger, dass sie „in 4 Arbeitstagen dieselbe Leistung bringen, wie „Andere“ an fünf“ – nur,… wer diese „Anderen“ seien, könnten sie dann nicht beantworten und auch nicht, weshalb für gutes Geld dieselbe hohe Tagesleistung nicht auch an fünf Tagen erwartet werden dürfe. Irgendwie fühle man sich als Personaler immer öfter wie ein Kassenpatient beim Zahnarzt: „Als Kassenleistung kann ich Ihnen das schon irgendwie machen, aber wenn Sie es ordentlich haben wollen, dann müssen Sie das extra zahlen, „, meine einer aus der Runde. Interessanter Vergleich.

In einer der Sessions zum Thema ging es um #Diktatoren im digitalen Raum bzw. Diktatoren, die sich neue Arbeitswelten zunutze machen. Interessante Verbindung. Remote Organisation sind auf permanente, digitale Kommunikation angewiesen, um das Team immer, überall und abrufbar informiert zu halten. Flache Hierarchien führen dazu, dass viele Menschen auf Vieles Zugriff haben. Die größte Schwachstelle im System ist allerdings häufig der Mensch und auch Verschlüsselungen lassen sich mitunter umgehen.

Trend-Rockstar Amy Webb zog mit ihrem 2023 Emerging Tech Trend Report wieder einmal die Massen in ihren Bann. Full House im Ballroom D des Austin Convention Center. Die ersten waren schon 3 Stunden vor der Veranstaltung da, um gute Plätze zu erhaschen. Das Apple iPhone lässt grüßen.

Apples Smartphone tauchte auf der diesjährigen SXSW gleich mehrfach auf. Wörtlich und im übertragenen Sinne. Ich glaube, es gibt kein anderes Event, keinen anderen Ort mit einer höheren iPhone Dichte. Quasi mit jedem konnte man einfach per AirDrop Inhalte teilen und seine Kontaktdaten tauschen.

Dazu kam, dass gleich mehrere Speaker das durch ChatGPT in der Breite Ankommen generativer AI als iPhone-Moment bezeichnet haben. Wir erinnern uns …

8 takeaways by Amy Webb for 2023:

  1. Konzentrieren & Fokussieren, um die Signale zu erkennen.
  2. Verwenden Sie ADM, um Prioritäten zu setzen.
  3. Das Internet, wie wir es kannten, ist Geschichte. Die AISMOSIS ist der nächste Schritt.
  4. Alles ist les- und verwertbare Information.
  5. Wir befinden uns in der Ära des Assistive Computing.
  6. Die neuen Werkzeuge sind nicht für jeden verfügbar; es entsteht eine neue digitale Kluft, die Gesellschaft wird weiter auseinanderdriften.
  7. Jeder wird sich weiterbilden müssen.
  8. Die großen Tech Konzerne werden immer größer und mächtiger

Für mich war besonders interessant zu sehen, dass Amy Webb in ihrem Trend Report im Bereich „Government and Policy“ den einzigen sieht, auf den 8/10 Technologie Clustern kurzfristige Auswirkungen haben.

Das Internet, wie wir es kennen, gibt es nicht mehr. Alles ist Information. Das Internet sucht UNS.

Das war eine zentrale Position von Amy Webb, die wenige Tage vor der SXSW auch schon von Richard Gutjahr mit „Big Bot is Watching You“ eingenommen wurde.

  • Chaos, Unordnung, eine ganze Menge Lärm, und das liegt daran, dass sich die Signale nach Covid in einer Weise vermischt haben, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Diese Bedingungen können für Länder, Unternehmen und uns destabilisierend sein.“
  • „In Zeiten wie diesen, in denen die Unsicherheit extrem groß ist, sind wir überfordert und neigen dazu, uns an das zu halten, was wir kennen oder was uns vertraut vorkommt. Wir wollen vertraute Trends, wir wollen bequeme Ergebnisse, und wenn wir uns diese Art von Gewohnheit angewöhnen, ist es ein bisschen so, als würden wir die ganze Welt durch ein winziges Nadelöhr betrachten. Das Problem ist nur, dass, wenn wir weit heraus zoomen und all die Signaldaten und Trends nehmen, unsere Augen das alles als Chaos interpretieren und wir uns dann noch mehr überfordert fühlen.“
  • „Wir müssen also herausfinden, wie wir unsere Aufmerksamkeit richtig fokussieren können, und das ist wirklich schwer. Aber wenn wir unsere Aufmerksamkeit richtig fokussieren, können wir sehen, worauf es ankommt“
  • „Wir müssen uns auf die Konvergenz konzentrieren, d. h. auf die Überschneidungen zwischen den Trends, nicht nur auf die einzelnen Punkte oder die einzelnen Trends selbst.

Wir sprechen also über das Vermischen von Trends, deren Konvergenz und die Schnittpunkte der Trendcluster, die von ganz entscheidender Bedeutung sind. Von 666 – ein Teufel, wer Böses dabei denkt – Trends ging Amy Webb auf 35 grob näher ein, fokussierte dabei aber auch entscheidende Konvergenzen und stelle zwei Cluster im Detail vor:

Web3, Cloud Computing und AI werden in ihrer Gänze die Welt(wirtschaft) massiv verändern:

Das Internet, wie wir es kennen, gibt es nicht mehr. Alles ist Information. Das Internet sucht UNS.

Amy Webb auf der SXSW

Alles wird zu Information. Und diese Informationen werden verarbeitet, z.B. durch auf LLM (Large Language Models) basierender KI, kombiniert mit RLFH (Reinforcement Learning with Human Feedback). Informationen werden zum Trainieren von Algorithmen eingesetzt. Und auch hier stellen sich gleich an mehreren Stellen wieder ethisch orientierte Fragen.

  • Welche Informationen sollten zum Trainieren von KI verwendet werden?
  • Wie wird ein Bias in diesen Informationen verhindern?
  • Wie wird ein Bias im Code der Algorithmen verhindert?
  • Wem überlassen wir die Entwicklung der KI Modelle? Nur Big Tech?
  • Wie gehen wir damit um, dass von Algorithmen generierte Inhalte als Input zum Trainieren verfeinerter Modell herangezogen werden?

Gerade der letzte Punkt, veranlasste einen Teilnehmer in einer kleinen Netzwerkrunde zu einer kleinen Analogie: Manche Hochschulprofessoren, die nie einen Fuß in die harte Realität der Wirtschaft gesetzt haben, sehen sich Jahr für Jahr durch die Masterarbeiten ihrer Studenten bestätigt, in denen die Studierenden die vorgebetete, vermeintlich richtige Meinung ihres Dozenten in Hoffnung auf eine gute Bewertung – teilweise wider besseren Wissens – wiedergeben.

Übrigens ist ChatGPH keineswegs die einzige interessante Entwicklung, nur eben die best-funded Version. PaLM RLHF ist da z.B. auch einen Blick wert, worauf mich mein Sitznachbar aufmerksam machte.

Und wenn wir gerade schon beim Funding sind, dann sprechen wir auch über die Skalierung. Generative KI benötigt erhebliche Ressourcen – und die können Stand heute quasi nur die Big Tech Konzerne bereitstellen, wodurch deren Macht und Einfluss weiter gefestigt werden.

Zwei Optionen sieht Amy Webb in diesem Kontext für unsere Zukunft:

  • Menschenzentrierte KI, eingesetzt im Sinne der Gesellschaft, basierend auf Freiwilligkeit und Opt-in Freigaben, transparent und dezentral verwaltet. Der Mensch entscheidet frei auf Basis von Fakten. 20%.
  • Kommerziell ausgerichet, alle durch Menschen erzeugten Daten werden in Echtzeit von KI Modellen verarbeitet, Information des Einzelnen aufgrund aggressiven Profilings und politischer bzw. kommerzieller Zielsetzung. Der Mensch entscheidet innerhalb eines ihm vorgegebenen Sets an Informationen. 80%

AI, Biotech, Gesundheitswesen und Metaverse werden in Kombination ebenfalls eine disruptive Wirkung auf viele Bereiche des täglichen Lebens haben.

Dabei spielte Amy Webb jetzt nicht auf die derzeit noch häufig Gaming-orientierten 3D Welten an, sondern auf das industrielle Metaverse, auf digitale Zwillinge und eine Welt, in der digitale Modelle zu Werkzeugen werden, unser Leben, unser Menschsein und unsere Aktivitäten unterstützen und ubiquitär verfügbar sind. Sie sprach von der Ära des Assistive Computing.

Zwei Optionen sieht Amy Webb auch hier:

  • Weiterbildung (Upskilling) und Bildung im Allgemeinen wird massiv auf digitale Technologien und deren Einsatz als Werkzeug gelegt. Angefangen bei unsern Kindern. Die Menschen setzen diese Werkzeuge bewusst ein, können mit ihren Ergebnissen arbeiten und umgehen und diese einschätzen und bewerten. 50%
  • Wir investieren nicht in Bildung, legen die Hebel nicht jetzt um und beschäftigen uns mit den Entwicklungen erst, wenn sie bereits in der Breite angekommen sind. KI dient der Profitsteigerung großer, ohnehin schon finanzstarker Konzerne und beeinflusst deren Datenproduzenten .. äh … Nutzer folgend kommerzieller Unternehmensinteressen. KI ist biased, bewusst oder unbewusst, was inkauf genommen oder absichtlich herbeigeführt wird. 50%

Ich persönlich sehe im zweiten Fall Amy’s 50/50 Einschätzung nicht ganz so positiv. Digitale Scannerkassen in Supermärkten wurden nicht eingeführt, um die User Experience zu verbessern, es wurde nicht in die technische Weiterbildung von Kassierern und Kassiererinnen investiert,… die Systeme wurden eingeführt, um weniger qualifiziertes Personal auf einem niedrigeren Gehaltsniveau einstellen zu können. Funktioniert etwas nicht, wird die Glocke geläutet und es heißt „Service zur Kasse 4 bitte„.

Amy sagt voraus, dass in den nächsten Jahren ein #AISMOSIS (AI OSMOSIS) Ereignis stattfinden wird. Und es wird die Welt verändern. Sind wir darauf vorbereitet?

Bei der Vorbereitung helfen werden uns der digitale Swag Bag, den Amy für uns vorbereitet hat. Daher gehe ich hier jetzt auch nicht auf die eigentlichen Trends näher ein.

Einen ganz ganz wesentlichen Punkt hat Amy Webb auf der SXSW gemacht: Es geht um Bildung und Verantwortung.

Wir sollten Systeme wie generative KI nicht verbieten, nicht kaputt regulieren, sondern den Menschen – angefangen bei Kindern – beibringen, wie man die Technologie als Werkzeug einsetzt. Wir müssen ihnen beibringen, digitale Entwicklungen zu verstehen, sie bewerten und einordnen zu können.

Gesetzte, Regulierungen wie der geplante EU AI Act werden nicht verhindern, dass KI in für uns nicht mehr nachvollziehbarer Geschwindigkeit (ausserhalb der EU) weiterentwickelt, ohne Rücksicht auf unsere europäischen Ansichten und Regulierungen zu nehmen.

Milliarden von Menschen werden nicht für Jobs der assistierten Ära qualifiziert sein!“ Wir müssen jeden hochqualifizieren.

Digitale Ethik – the next big thing?

Und was die Verantwortung betrifft, dazu hat sie deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es nicht in Ordnung sei, eine Entwicklung, getrieben aus kommerzieller Motivation, einfach mal auf den Markt zu werfen. Die Fragen zu richtig und falsch wird dann schon wer (?) beantworten. Vielleicht. Irgendwann.

Zu genau diesem Thema durfte ich auf der SXSW in diesem Jahr selbst an einem Fireside Chat & Panel teilnehmen und mit Cara BiasucciRamona Arora, PhD.Betsy GreytokMelinda Jacobs und Florian Feltes diskutieren, moderiert von der wunderbaren Martha Biadun.

Digitale Ethik

Greg Brockman hat sympathisch und eindrucksvoll über ChatGPT 3.5 berichtet und über das Potenzial kommender Versionen. Jetzt ist die Wildkatze aus dem Sack. Wer sie wieder einfängt und domestiziert? Egal.

Auf die Frage, wie eine KI-gestützte Welt in 2050 aussehen wird, war Gregs Antwort, das sei noch unvorstellbar. Recht hat er. Nur gut, dass wir in Deutschland Pläne schmieden, durch die in 2070 die Deutsche Bahn endlich pünktlich fahren soll. Beruhigend.

Nur einen Tag später steht der Rockstar der Zukunftsforschung auf der Bühne, Amy Webb und zeichnet uns verschiedene Zukunftsszenarien – strahlende und recht düstere.

Es war der deutlichste Weckruf, den ich von ihr bisher gehört habe. Auch, wenn sie den Begriff Digitale Ethik nicht direkt verwendet hat, drehte sich doch vieles in ihrer einstündigen Vorstellung um genau diesen Punkt.

Alles wird digital, alles wird zu Information und alle Informationen werden von selbst lernenden Algorithmen ausgewertet und genutzt.

Wie viel davon ist gut, wie viel gefährlich? Wie weit können wir gehen, wie weit sollten wir gehen? Den Punkt der freigelassenen Wildkatze hat sie explizit angesprochen – ohne dabei direkt auf Greg Brockmans Position des Vortags Bezug zu nehmen. Der Zusammenhang lag jedoch auf der Hand. Die Frage nach der Verantwortlichkeit blieb offen.

Unser Panel, ausgerichtet von Innovation Bridge Europe, unterstrich für mich auch nochmal, wie richtig es war, dass wir mit Dr. Laura Crompton eine ausgewiesene Expertin in digital ethischen Fragen als eine der ersten Mitarbeiterinnen der byte – Bayerische Agentur für Digitales an Bord geholt haben.

Ebenfalls in Richards Blog G!: Ein virtueller „Frank Schirrmacher zum ethischen Umgang mit ChatGPT„. #lohnenswert

Wir müssen besser darin werden, uns die Zukunft vorzustellen, denn die einzige Zukunft, die wir machen können, ist die, die wir uns vorstellen können„, forderte Rohit Bhargava, als er zusammen mit Henry Coutinho-Mason über 15 nicht offensichtliche Trends sprach.

Die einzige Zukunft, die WIR machen können… ja… aber was ist mit der Zukunft, die die AI für uns schaffen wird, da die AI sich viel mehr „vorstellen“ wird, als wir es können…? 🤔

Aber ok, Rohit rief dazu auf, die globale Epidemie des Zukunftspessimismus zu bekämpfen. Irgendwie schon richtig und gerade in Deutschland sind wir ja sehr gut darin, aus Sorge vor Veränderung mit einer möglicherweise eintretenden Verschlechterung als eventuellem Ergebnis an Bestehendem festzuhalten und alles andere im Keim zu ersticken.

Stoffwechselüberwachung, virtuelle Begleiter, synthetische Lebensmittel und weiter Entwicklungen, die unser Leben bessern machen werden. So ganz nicht-offensichtlich war das alles zwar alles nicht, aber dennoch interessant und unterhaltsam vorgetragen.

Das Fazit war dann auch so einfach wie schlüssig: „Die Menschen, die Menschen verstehen, gewinnen immer.

Design und Technologie – brillant verbunden von SXSW Stammgast Dr. John Maeda, Microsoft

Er sprach über KI und Systemdesign. Dr. John Maeda war wieder ein Highlight, eines, dass hoch komplexen Stoff sehr unterhaltsam vermittelt, oder besser, zu vermitteln versucht. Dieses Mal hatte er so viel Inhalt in nur 60 Minuten gepackt, dass man mit Zuhören, Abphotographieren und gedanklichem Verarbeiten kaum hinterher kam. Seine Kerngedanken hat er wie folgt zusammengefasst:

  • Designer neigen dazu, sich um Menschen als Menschen zu kümmern. Und nicht nur als Interessenten oder Kunden.
  • Die Designbranche hat sich weiterentwickelt, um mehr als Maschinen, mehr in Skalen und mehr in € zu sprechen.
  • In der Welt des Designs wurde viel Arbeit geleistet, um eine neue „Ästhetik der Ethik“ zu schaffen.
  • In diesem nächsten Kapitel wird es wichtiger sein, wirklich gut über Menschen zu sprechen als über Maschinen. 
  • Aber es ist kein Hauptthema, weil es nicht nach „Zeit- oder €-Einsparungen“ oder „neuen €“ klingt.
  • Der Bericht des nächsten Jahres wird sich mit dem geschäftlichen Wert dieser neuen Art von Design befassen

So häufig 2023 als iPhone Moment bezeichnet wurde, so treffend empfang ich Dr. Johns Ketchup Beispiel:

Sehr bildlich hat er beschrieben, wie wie versuchen, Ketchup aus der Flasche zu bekommen, mit Schütteln, mit dem Messer, bis wir am Ende einfach immer wieder von oben auf die umgedrehte Flasche in unserer Hand schlagen. Irgendwann hat man dann die Bescherung, die Pommes sind begraben unter viel zu viel Ketchup und man bekommt es nicht zurück in die Flasche. Und wer kümmert sich jetzt um das Malheur?

Als Designer muss man sich mit Systemen beschäftigen, lernen „maschinell“ zu denken und KI als Teil ihrer Lösung zu sehen. Systemzusammenhänge, Technologieabhängigkeiten, Kostenstrukturen und mehr müssten zum Tagesgeschäft zeitgemäßem Designs werden.

Gaming – wie auch in den letzten Jahren ein Thema.

Der Gaming Markt wächst weiter und insbesondere Mobile wird zum zentralen Umsatzbringer. Wirklich neue Spiele waren nicht in Aussicht und die aktuelle, weltwirtschaftliche Lage verleitet auch die großen Studios eher dazu, auf Bewährtes zu setzen, als darauf, Neues zu versuchen. Ziel der Branche ist, noch stärker zu wachsen durch noch bessere Zugänglichkeit und Verfügbarkeit. Das Game-Streaming ist und bleibt dabei aber noch ein Entwicklungsfeld. eSports bleibt ein heißes, wachstumsstarkes Thema und wenn ein Digitalbereich dem, was heute als Metaverse angestrebt wird, recht nahe kommt, dass ist es sicher die Gaming-Industrie. Aber ‚recht nahe‘ ist noch lange nicht am Ziel. Wie hieß es noch gleich in einer Session: „Das Metaverse ist im Moment nur eine beschissenere Version von Zoom, aber man muss Hosen tragen.

Auf dem weg zur Meta-Kommerzialisierung zeigen mehr und mehr Marken auch in Spielen Präsenz, kleiden Gamer und NPCs ein, mit Gucci, Nike & more.

Die Fashion-Industrie hat verstanden, dass Epic Games mit Skins in Fortnite mehr Umsatz macht, als so mache Luxus-Fashion-Brand und steigt groß ins digitale Geschäft ein. So bereitet sich Ralph Lauren auf die Bekleidungsausstattung des Metaverse vor.

Gerade Multi-Player-Spiele wie Fortnite, Minecraft oder Roblox ziehen die zukünftig kaufkräftigen Zielgruppen an, die Multiplikatoren, die Influencer – die die „Älteren“ spielen häufig Single-Player-Games.

Auch der Trend des Gameplay-Streamings – erfahrene Spieler spielen und kommentieren online, streamen ihr Spiel und verewigen es für 100.000er zum jederzeit-Abruf auf youtube – hält weiter an. eSport wird zum Zuschauersport. Nicht selten haben eSports Events inzwischen mehr Zuschauer, als Sportveranstaltungen im physischen Raum. Die begleitende Kommunikation läuft über Audiochat, Discord oder Twitter, wodurch Games mehr und mehr zu Social Networks mutieren.

Totale Anonymität oder digitale Identitäten im Netz?

Chelsea Manning stellte zusammen mit Harry Halpin ihr Mixnet nym vor, eine hochsichere Tor Alternative aus der Schweiz, die echte Anonymität im Netz ermöglichen soll.

Blockchain-Technik soll sicherstellen, dass es keinen zentralen Punkt gibt, an dem alles scheitern kann. Auf diese Weise könte eine neue Art Darknet entstehen: ein verteiltes, nicht ohne Weiteres zugängliches oder überwachbares Netzwerk im Internet, finanziert u.a. durch Andreessen Horowitz.

Nym wird – wie auch das Tor-Netzwerk – ein sogenanntes Mixnet, in dem der Datenverkehr aller Nutzerinnen und Nutzer über mehrere Zwischenstationen gelenkt wird, um Sender und Empfänger zu verschleiern. Zusätzlich werden die Daten in eine Art digitalen Mixer gesteckt, mit Zufallsdaten und kurzen Zeitverzögerungen angereichert und dann neu sortiert zum gewünschten Endpunkt geleitet. Der angestrebte Vorteil gegenüber Tor: Selbst wenn das gesamte Netzwerk von außen überwacht wird, lässt sich nicht feststellen, welcher Computer sich mit welchem anderen verbunden hat. Bei Tor wäre das theoretisch möglich .

Ryan Gellert, CEO von Patagonia, fokussiert im Gespräch mit Katie Couric auf den Wert der Unternehmenskultur und die Verantwortung großer Konzerne.

Ein beeindruckendes Unternehmen, ein beeindruckender CEO. Patagonia. Neben der hohen iPhone Dichte war unter den Teilnehmern auch Patagonia sehr weit verbreitet. Für die, die noch nicht zum Inner Circle gehörten, hielt der Patagonia in Austin eine breite Apparel-Palette bereit.

Von ganz entscheidender Bedeutung ist für Gellert, sich vom Leitgedanken der Shareholder Value Maximierung zu verabschieden. Die wenigsten Unternehmen bzw. Aktionäre werden sich darauf jedoch einlassen, so lange deren Kunden durch ihr Kaufverhalten nicht demonstrieren, mit dem Verhalten der Unternehmen nicht einverstanden zu sein.

Patagonia hat sich zu radikaler Transparenz, Aufrichtigkeit und Integrität verpflichtet und lebt diese Werte, die sich auch wie ein roter Faden durch die gesamte Unternehmenskultur ziehen. Dass Yvon Chouinard „die Erde als alleinige Anteilseignerin“ eingesetzt hat um die Gewinne von Patagonia zur Bekämpfung des Klimawandels und zum Schutz der Natur zu verwenden, zeigt den radikalen Ansatz des Unternehmens. Gellert sieht die Bekleidungsindustrie als eines der umweltschädlichsten Segmente der Wirtschaft an.

Patagonia fokussiert daher bereits seit langem auf die Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit der eigenen Produkte sowie auch deren Reparatur. Egal, ob man eine Jacke vor zwei Wochen oder vor 20 Jahren gekauft hat und der Reißverschluss kaputt geht, das Unternehmen repariert ihn kostenlos, sagte er.

Ich habe immer das Gefühl, dass ich die letzte Person bin, die man nach Karriereratschlägen fragen sollte. Ich bin mit dem Skateboardfahren aufgewachsen. Ich bin mit Leuten aufgewachsen, die ihr Leben um das Surfen herum aufgebaut haben. Manche sind immer noch Barkeeper. Wie baue ich eine Karriere auf, wenn ich nicht weiß, was ich tun will, aber ich möchte mich für etwas begeistern können.

Ryan Gellert auf der SXSW

Gellert sieht in vielen Großkonzernen die schlimmsten Umweltverschmutzer und sie in der Verantwortung für den menschgemachten Teil des Klimawandels. Es liegt also in ihrer Verantwortung, das von ihnen verursachte Chaos zu beseitigen. Das Hauptproblem sieht er darin, dass Wirtschaftsführer das Richtige erst dann tun werden, wenn sie alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Wie oben schon beschrieben, haben wir – die Konsumenten – es in der Hand, den notwendigen Druck auszuüben.

[Der Klimawandel] ist eine Bedrohung für alles, was wir schätzen, einschließlich der natürlichen Welt. Wir werden alle Hebel in Bewegung setzen müssen, um das Problem zu lösen. Die Regierung, der Einzelne und die Unternehmen dürfen sich nicht länger verstecken. Ich bin stolz darauf, Teil eines gewinnorientierten Unternehmens zu sein, das in einem Segment tätig ist, das sich verändern muss.

Ryan Gellert auf der SXSW

Verantwortung, eine Forderung, die nicht selten geäußert wurde.

Künstliche Intelligenz war – wie bereits mehrfach erwähnt – gefühlt das dominierende Thema der SXSW 2023. In den Sessions, aber auch drumherum und in den abendlichen Netzwerkveranstaltungen. Für mich der diesjährige Konferenzabschluss war der Vortrag von whurley (William Hurley) zum Thema Quantencomputing und #AI.

whurley hat das Thema des Einsatzes Künstlicher Intelligenz zum Ende meiner diesjährigen SxSW Erfahrung dann noch auf die Spitze getrieben. Quantencomputing nutzt revolutionäre Ansätze der Datenverarbeitung auf der Grundlage der Quantenmechanik. Es hat das Potenzial, Probleme zu lösen, die derzeit die Möglichkeiten klassischer Computer in Bereichen wie maschinellem Lernen, Optimierung, Simulation und Kryptografie deutlich übersteigen, was auch der Grund dafür ist, gerade Unternehmen wie Amazon, Google, IBM und Microsoft massiv in diese Technologie investieren.

Warum hängt unsere Zukunft aus Williams Sicht von der Konvergenz von Quantencomputing und künstlicher Intelligenz ab? Wir sehen schon heute, wozu und Menschen KI befähigt. Stellen wir uns diese Leistungsfähigkeit einmal als 1.000x oder 10.000x Version vor. Na?

Das Zusammenkommen von Quantencomputing und KI beschert der Menschheit sowohl Herausforderungen als Chancen – und letztere überwiegen laut whurley. Einerseits hat die Kombination dieser beiden Technologien das Potenzial, einige der dringendsten Probleme der Welt zu lösen, von der Eindämmung des Klimawandels über die Heilung tödlicher Krankheiten bis zur Stärkung der Weltwirtschaft.

Auf der anderen Seite birgt die Konvergenz von Quantencomputern und künstlicher Intelligenz aber auch erhebliche Herausforderungen, denn wie groß das Potenzial einer – noch hypothetischen, aber – möglichen Quanten-Superintelligenz sein wird, die zur Selbstoptimierung fähig sein und die menschliche Intelligenz um mehrere Größenordnungen übertreffen wird, können unsere menschlichen Hirne sich nicht einmal erdenken.

ChatGPT, LaMDA, BARD, Midjourney, StableDiffusion und andere Technologien bringen uns KI aktuell sehr nahe und die Ergebnisse ihrer Anwendung lassen uns nicht selten staunen. Noch vor kurzer Zeit sahen wir die Errungenschaften von 2022 und 2023 noch irgendwo in den 2030er Jahren – jetzt sind sie da. Auch die Interfaces der Bedienung entwickeln sich in Richtung Breitentauglichkeit. Prompting wird zur allgemeinen Digitalkompetenz.

Mit weiteren Fortschritten im Bereich des maschinellen Lernens und des Deep Learnings am Horizont, wird die KI zunehmend in der Lage sein, auch sehr komplexe Probleme zu lösen und eigenständig Entscheidungen zu treffen. Der Weg von mehreren narrowAIs hin zu generalAis ist kürzer als wir denken – und er verkürzt sich selbst von Tag zu Tag.

Whurley weist deutlich auf die sowohl positiven als auch negativen Auswirkungen hin, z.B. wenn man sich auf eine solche Technologie verlässt, um beispielsweise kritische Infrastrukturen zu kontrollieren oder einschneidende Entscheidungen zu treffen. Um diese Risiken zu mindern, müssen wir die Entwicklung von Quantencomputern und künstlicher Intelligenz gemeinsam, bewusst und mit Bedacht angehen – und uns mit Fragen ethischer Natur auseinandersetzen.

Das … und vieles, vieles mehr, war die #SxSW2023 für mich.

Es wurden immer wieder Diskussionen über die Zukunft der Bildung geführt, einschließlich der Möglichkeiten, die neue Technologien bieten, um das Lernen effektiver und zugänglicher zu gestalten. Der Mangel an digitaler Kampetenz und der Bedarf, daran etwas zu ändern zog sich wie ein roter Faden durch eine Vielzahl der Sessions, von den großen Teilnehmermagneten bis hin zu den keinen Hinterraumtreffen und privaten Networking Meet-ups.

Ein weiteres wichtiges Thema war wie in jedem Jahr die Rolle der Medien und der Technologie bei der Gestaltung unserer Kultur. Wie beeinflusst Technologie unser kulturelles Verständnis und wie können wir sicherstellen, dass unsere kulturellen Werte dabei erhalten bleiben? Und schon sind wir wieder bei KI, dem zweiten roten Faden, eng verwoben mit dem digitaler Bildung.

Daneben wurde auch der Einsatz von Technologie im Kampf gegen den Klimawandel wieder heiß diskutiert . Es gab Diskussionen über neue Technologien und Konzepte, die dazu beitragen können, die Umweltbelastung zu reduzieren. Arbeiten wir daran!

Deutschland auf der SXSW?

Das German (H)Aus – da war der Name Programm.

Die deutschen Teilnehmer als Vertreter unseres Heimatlandes waren wieder vor Ort und haben Flagge gezeigt. Das offizielle Engagement Deutschlands wurde allerdings nur von wenigen wahrgenommen. Und das war wohl auch besser so. Vom ehemaligen Charm des German Haus at Lucille war quasi nichts mehr übrig.

Stück für Stück ging es über die Jahre bergab mit dem Deutschen Haus, über den inzwischen geschlossenen, dunklen und innen etwas stickigen Music Club Barracuda, über ein Haus ganz ohne Außenbereich bis zum diesmaligen Haus auf der an sich extrem gut besuchten Partymeile 6th Street – auf der ein Musikclub Wand-an-Wand an den nächsten grenzt – das aber gefühlt immer geschlossen war. Mehrere Male stand ich selbst vor der Tür – und wurde nicht eingelassen. Einmal war es Viertel-vor. Die Session begann zur vollen Stunde. Ich durfte nicht rein. Man würde Gäste erst kurz vor der Session einlassen, hieß es.

Zumindest musste niemand Schlange stehen, wie an den anderen Venues, denn hier sind alle einfach gleich wieder gegangen. Eine Zeit lang habe ich mir das Trauerspiel angeschaut – wie eine SxSW Teilnehmerin nach dem anderen wieder weg geschickt wurde. Das Germans Haus war leer. Auf einem Event wie der SxSW kann man es sich einfach nicht leisten, die Tür fast immer geschlossen zu halten. Man ist gewohnt, zeitig vor Events die Locations aufzusuchen. Niemand wartet vor einem leeren Haus. Es passiert einfach zu viel, das Angebot ist zu groß, wenn nicht hier, dann eben woanders.

Zu einer Paneldiskussion waren wir dann „drin“. Wir waren zu zehnt – Freunde und Bekannte eines der Panelisten. Acht weitere Gäste zählten wir, fünf Freunde des zweiten Teilnehmers, ganze drei „echte“ Gäste – in einem ansonsten quasi leeren Haus – während einer der kurzen Öffnungszeiten.

Zur Abendveranstaltung muss ich wohl zu früh oder zu spät gekommen sein, denn auch da zählte ich nur vier Gäste. Vermutlich habe ich das Beste verpasst. Schade.

Die Lage war eigentlich gut, 6th Street, tolles Haus, phantastische Dachterrasse, gut eingerichtet. Weshalb war es also so schwach besucht?

Zum einen war da die eher schwache Kommunikation. Dann hatte sich herumgesprochen, dass das Haus meist geschlossen ist und weder die Themen noch die Namen zogen wirklich. Möglicherweise kam noch hinzu – was auch die Veranstalter evtl. nicht wissen konnten – dass die SXSW im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verkleinert wurde. Die Straßensperre im Westen verlief einen ganzen Block näher am Deutschen Haus als zuvor. Das nur wenige Häuser daneben liegende Buffalo Billiards, früher als Mashable HQ immer bis zum Brechen überfüllt und inzwischen geschlossen, lag bereits außerhalb des abgesperrten SxSW Bereichs und hatte sich zu einem der vielen Treffpunkte der Homeless People von Austin entwickelt. Ein Problem, das von Jahr zu Jahr größer wird und einen eigenen Track auf der Konferenz verdient hätte!

Der Germany Stand in der Exhibition Hall des Austin Convention Centers war wie auch in den letzten Jahren eher schwach besucht und zeigte sich leider auch mit einigen unbesetzten Countern. Irgendwie gelingt es Frankreich und Italien meist, mehr Interessenten anzuziehen – trotz toller, engagierter Gründer und spannenden Startups wie z.B. swey.

Das andere Deutsche Haus. Wax Myrtle’s.

Mit Innovation Bridge Europe im Wax Myrtle’s hatte german.innovation einen internationalen Treffpunkt geschaffen, der Menschen, Wissen und Technologien zusammenbrachte. Ob untertags oder an den Abenden, im Wax waren immer interessante und interessierte Menschen anzutreffen. Eine Session löste die andere ab und nicht selten war die Dachterrasse so voll, dass man sich zwischen all den Menschen hindurch schieben musste. Berlin, Holland, die Nordics, Österreich, Rheinland-Pfalz & das Saarland, die Ukraine u.v.m. gaben sie bei der Myrica die Klinke in die Hand. Start-up Foren, Superconnector Events, Themen Sessions, die perfekte Kombination aus Content und Networking. Vielen Dank Claudia Schwarz. Hut ab!

Und dann war da noch das nicht zu unterschätzende German Apartment: Bernhard Fischer-Appelt, Patricia Döhle und Lars Gaede hatten unter dem Motto „Futures: From Desirable to Done“ in traditioneller Apartment-Atmosphäre einen Ort geschaffen, um Impulse für die Zukunft zu gegeben, einen Ort, an dem man mit Pionieren und Entscheidern über Zielbilder und Zukünfte sprechen konnte. Es ging ums Lernen, Verbinden, Diskutieren, Machen.

Bernhard Fischer-Appelt & Co. riefen – und alle kamen. Es war eine rundum gelungene Veranstaltung.

Auch gelungen, die zahlreichen von Daniel Fürg organisierten Meet & Greets z.B. mit Gründern und Vertretern der Münchener Delegation wie Clemens Baumgärtner, Gabriele Boehmer, Severin Lucks, Kurt Kapp, Till Kaestner, Matthias Hunecke, Manuel Hendel, Jakob von Moers, Daniel Kamps, Bernhard Fischer-Appelt und Manuel Pretzl.

Auch mit dem von ihm zum wiederholten Male zur SXSW veranstalteten Grill of Change Networking Event, mit dem er die einst von Curt Simon Harlinghausen begonnene Tradition fortführte, mit rund 70-80 Innovatoren im gelben Schulbus am Abend raus in den Süden zu The Salt Lick BBQ zu fahren, schuf er neue Verbindungen und festigte bereits bestehende. Gleiches gilt auch für Thomas Helbing samt Crew, die vor Ort für einen Industrie-übergreifenden Austausch u.a. mit Arun Anandasivam, Bodo Braun, Maximilian Fallbacher, Dirk Hofmann, Nicolas von Sobbe, Lars Relitz, Dietmar Scherer sorgte.

Genau diese durch Claudia, Bernhard, Daniel und Thomas organisierten Gesprächsräume sorgten für Austausch, Inspiration und neue Ideen abseits des stressigen Alltags, der das allzu oft verhindert.

All das, zusammen mit einem wirklich dicken Paket an durchdenkenswertem Content, das ist anderenorts schwer zu finden bzw. kaum möglich.

Austin, wir sehen uns wieder!

Fotoquelle Headerbild: GSPhotography / Shutterstock.com

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