Jan Plagge, Präsident des Bioland e.V.

Jan Plagge: Wie kann Landwirtschaft nachhaltiger werden?

Ein europäischer Dialog für die Zukunft

Europas Landwirtschaft steht vor einer Zeitenwende: Wie kann sie im Einklang mit der Natur wirtschaften, ohne die Existenz der Landwirte zu gefährden? Eine historische Einigung auf EU-Ebene zeigt nun einen Weg auf, der gleichzeitig ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig sein könnte. Erstmals haben sich Vertreter aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammengesetzt, um eine gemeinsame Vision für die Zukunft der Landwirtschaft zu entwickeln.

Was dabei herausgekommen ist, könnte den entscheidenden Anstoß geben: Ein Plan auf 110 Seiten, der nicht nur die Bauern stärkt, sondern auch die natürlichen Ressourcen schützt. Denn eines ist klar – die bisherigen Modelle der intensiven Landwirtschaft sind nicht länger tragfähig.

Landwirtschaft neu gedacht: Planetare Grenzen als Maßstab

Die Einigung basiert auf einem einfachen, aber wirkungsvollen Prinzip: Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen. Der Ökolandbau, den Jan Plagge, Präsident von Bioland e.V., vertritt, liefert seit Jahrzehnten ein Best-Practice-Beispiel dafür, wie das gelingen kann. Biobetriebe setzen auf gesunde Böden, die Kohlenstoff binden, verzichten auf chemische Pestizide und synthetische Düngemittel und sorgen für eine artgerechte Tierhaltung. Es ist ein Modell, das zeigt, dass landwirtschaftliche Nachhaltigkeit mehr ist als nur eine Utopie.

Aber die Transformation ist kein starres Konzept. Plagge betont: „Viele Wege führen nach Rom – und so ist es auch in der Landwirtschaft.“ Entscheidend ist, dass alle Systeme an einem gemeinsamen Ziel ausgerichtet sind: den Schutz der Umwelt, das Überleben der Landwirte und die Sicherstellung einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion.

Subventionen neu verteilt: Belohnung für Umweltleistungen

Im Herzen der neuen Strategie steht die Neuordnung der Subventionen. Jahrzehntelang haben vor allem große Betriebe von den EU-Direktzahlungen profitiert, während kleinere oft unter wirtschaftlichem Druck aufgeben mussten. Nun soll das System umgestaltet werden. Statt pauschaler Zahlungen wird ein Modell vorgeschlagen, das Betriebe belohnt, die einen aktiven Beitrag zum Schutz der Umwelt leisten.

Konkret bedeutet dies: Landwirte, die Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität, des Wasserschutzes oder des Klimaschutzes ergreifen, sollen finanzielle Anreize erhalten. Ein Transformationsfonds soll zudem Betriebe unterstützen, die ihre Wirtschaftsweise anpassen müssen – ein Ansatz, der ähnlich funktioniert wie der Kohleausstieg in der Energiewirtschaft.

Nachhaltigkeit als Verkaufsargument: Die Rolle der Verbraucher

Der Wandel in der Landwirtschaft hängt jedoch nicht nur von den Bauern ab. Auch die Konsumenten müssen ihren Beitrag leisten. Plagge sieht dabei den Preis als entscheidenden Hebel: „Die nachhaltigsten Produkte müssten im Regal die günstigeren werden.“ Damit das gelingt, sind steuerliche Anreize und klare Preissignale notwendig. Ein weiteres Instrument könnte ein System von „Sustainability Agreements“ sein, bei dem sich der Handel und die landwirtschaftliche Produktion auf freiwillige, übergesetzliche Standards einigen.

Nur so kann der Marktmechanismus durchbrochen werden, der bislang denjenigen Betrieben Vorteile verschafft, die mit möglichst geringen Kosten und oft auf Kosten der Umwelt arbeiten.

Technologie als Treiber der Zukunft

Ein Schlüsselfaktor für die Transformation der Landwirtschaft könnte der Einsatz moderner Technologien sein. Von der Analyse von Bodengesundheit über die Beobachtung von Feldern per Satellit bis hin zur digitalen Auswertung von Biodiversitätsdaten – die Möglichkeiten, die Digitalisierung bietet, sind enorm. Wichtig ist jedoch, dass diese Technologien in ein ganzheitliches System eingebettet sind, das die komplexen Zusammenhänge zwischen Klimaschutz, Biodiversität und landwirtschaftlicher Produktion berücksichtigt.

Die Bereitschaft, neue Technologien zu integrieren, ist bei den Bioland-Betrieben hoch. Viele arbeiten bereits mit Universitäten, Forschungseinrichtungen und Startups zusammen, um neue Methoden und Tools zu entwickeln, die den Nachweis von Umweltleistungen erleichtern und die Effizienz steigern.

Ein strategischer Dialog, der Hoffnung macht

Im Rahmen der DLD Nature in München sprach Jan Plagge über den europäischen Dialogprozess, der von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Anfang des Jahres ins Leben gerufen wurde. Dieser Prozess könnte eine historische Wende für die Landwirtschaft einleiten. Plagge zeigte sich optimistisch, dass die Vorschläge des Berichts nicht nur Gehör finden, sondern auch in konkrete politische Maßnahmen umgesetzt werden.

Der Dialog selbst ist dabei ein entscheidender Schritt: Er bringt die wesentlichen Akteure an einen Tisch und ermöglicht eine gemeinsame Planung für die Zukunft. Wenn es gelingt, die verschiedenen Interessen zu vereinen, könnte dies das Fundament für eine neue Ära der Landwirtschaft legen – eine, die im Einklang mit der Natur steht und gleichzeitig die wirtschaftliche Existenz der Landwirte sichert.

Fotoquelle: Dominik Gigler for DLD / Hubert Burda Media

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