Donald Trump

Donald Trump bei Joe Rogan: Wenn Populismus nicht hinterfragt wird

Ein neues Format und die gleichen alten Strategien

In seinem Streben nach Aufmerksamkeit und Einfluss wählt Donald Trump stets die Bühne, die ihm die größte Reichweite verspricht. Mit Joe Rogans Podcast – einem der meistgehörten Formate der USA, das insbesondere Millionen männlicher Zuhörer im jungen und mittleren Alter erreicht – hat der ehemalige Präsident einen neuen Kanal für seine Botschaften gefunden. Rogan, bekannt für seine lockere, diskussionsfreudige Interviewtechnik und seine Mischung aus teils extrem konträren Gästen, stellt dabei eine Plattform bereit, die Trump geschickt zu nutzen weiß: Statt Substanz liefert er eine Mischung aus Halbwahrheiten und gezielten Provokationen, während Rogan es zumeist vermeidet, die Aussagen des ehemaligen Präsidenten auf den Prüfstand zu stellen. Doch was steckt tatsächlich hinter Trumps „Erklärungen“ und Versprechungen?

Ein gezieltes Publikum: Die Strategie, Podcasts zur Wahlkampfplattform zu machen

Der Auftritt im Joe Rogan Experience ist kein Zufall. Seit Monaten setzt Trumps Kampagnen-Team auf alternative Medien, die politisch zumeist unentschiedene, skeptische Zuhörer anziehen – eine Zielgruppe, die er zunehmend als politische Verbündete zu gewinnen sucht. In Rogans Podcast, dessen Hörer zu einem großen Teil Männer im Alter zwischen 18 und 34 Jahren sind, sieht Trump offenbar das ideale Forum, um seine populistische Botschaft zu verbreiten und Anhänger zu mobilisieren, die von etablierten Medien enttäuscht sind. Rogan selbst, der in der Vergangenheit eine Nähe zur libertären Denkweise zeigte und auch kontroversen Gästen Raum gab, schien eine ideale Bühne für Trumps Ideologie zu bieten.

Trump schildert seinen eigenen Kommunikationsstil als „the weave“, eine Art absichtlicher Abschweifung, die von einem Thema zum nächsten springt. Diese Taktik, die ihm erlaubt, unangenehme Fragen zu umschiffen und dennoch konstant präsent zu sein, fand im offenen Format von Rogans Podcast eine geeignete Spielwiese. Rogans Strategie, eher zuzuhören als kritische Rückfragen zu stellen, ermöglichte es Trump, seine Behauptungen weitgehend unwidersprochen zu platzieren.

Wahlbetrug, ungeprüft und unkommentiert

Eine der zentralen Aussagen Trumps während des Gesprächs bezieht sich auf die Präsidentschaftswahl 2020, die er erneut als „gestohlen“ bezeichnete. Trump wiederholte bekannte Verschwörungstheorien: die Briefwahl sei missbraucht worden, COVID-19 hätte der Wahlmanipulation durch die Demokraten Vorschub geleistet und die Richter hätten „nicht den Mut gehabt“, das Wahlergebnis anzufechten. Trotz vielerlei widersprüchlicher Beweise für diese Behauptungen bleibt Rogans Reaktion verhalten; er stellt lediglich nach, was Trump bereits mehrfach in ähnlicher Form behauptet hat.

Tatsächlich gingen Trumps juristische Anfechtungen, in denen angebliche Wahlmanipulationen untersucht wurden, fast alle zugunsten der Verteidiger der Wahlintegrität aus: Über 60 Gerichtsentscheidungen widerlegten die Behauptungen und stellten fest, dass keine systematische Manipulation stattgefunden hatte. Ein kritischer Interviewer hätte an dieser Stelle die Glaubwürdigkeit und die rechtliche Substanz von Trumps Behauptungen hinterfragen müssen. Die Lücke, die Rogans Interviewstil lässt, wird hier offenkundig: Die Desinformation, die Trump verbreitet, bleibt im Raum stehen und erreicht eine Millionenpublikum, das durch Rogans bisherige Distanz zu etablierten Medien möglicherweise weniger geneigt ist, diese Aussagen zu hinterfragen.

Zölle statt Einkommenssteuer: Ein wirtschaftspolitisches Schreckgespenst

Eines der wohl prägnantesten Themen des Gesprächs war Trumps Vorschlag, die Einkommenssteuer abzuschaffen und durch Zölle zu ersetzen. Ein radikales Konzept, das scheinbar eine Rückkehr zur Wirtschaftspolitik des 19. Jahrhunderts propagiert, als die USA eine agrarisch geprägte, exportorientierte Gesellschaft waren. Rogan lässt diesen Vorschlag ohne fundierte Analyse im Raum stehen, obwohl die heutigen wirtschaftlichen Realitäten ungleich komplexer sind. Die moderne US-Wirtschaft ist tief in internationale Handelsbeziehungen eingebunden, von denen sowohl das nationale Konsumniveau als auch die Produktion abhängen. Trumps Plan würde nicht nur zu massiver Inflation führen, sondern könnte auch die globale Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft ernsthaft gefährden.

Ein wirtschaftspolitisch geschulter Interviewer hätte hier kritisch einhaken müssen: Die Einführung hoher Importzölle würde insbesondere Güter des täglichen Bedarfs verteuern und die ärmeren Bevölkerungsschichten, die sich Trump vermeintlich zur Unterstützung zu sichern sucht, stark belasten. Die simple Gleichsetzung von Steuern und Zöllen als „gerechte“ Alternative ist gefährlich irreführend. Doch auch hier bleibt Rogans Kritik oberflächlich – ein Beispiel dafür, wie leicht populistische Thesen in alternativen Medien verbreitet werden können, wenn sie nicht durch Nachfragen geprüft werden.

Rhetorik statt Diplomatie: Ein gefährliches Narrativ

Im Verlauf des Gesprächs präsentiert sich Trump als der harte Verhandler, der durch markige Sprüche und persönliche Beziehungen zu Autokraten wie Kim Jong-un und Wladimir Putin die Weltlage angeblich stabil gehalten habe. Die Realität sieht jedoch anders aus: Während seiner Präsidentschaft kam es zu keinen echten Abrüstungsinitiativen mit Nordkorea und auch Putins Ambitionen in Osteuropa sind weitgehend unbeeindruckt geblieben. Die Behauptung, dass Putin die Ukraine nicht angegriffen hätte, wenn er im Amt geblieben wäre, steht ohne jeden Beweis da.

In Rogans Podcast bleibt diese Darstellung jedoch unangefochten. Der Mythos des starken Führers, der die Weltpolitik allein durch persönliche Stärke und Einfluss stabilisieren könne, gehört zu Trumps festen Erzählungen, die auf Schwächen der vermeintlich „liberalen“ Demokratie abzielen. Dabei wird übersehen, dass die wirklichen Konflikte in Nordkorea und Russland viel tiefer verwurzelt sind als in den persönlichen Eigenheiten ihrer Führer. Die geopolitische Realität bleibt in Trumps Erzählung der kleinen Anekdoten und Selbstinszenierung jedoch außen vor.

„China hat unsere Chip-Industrie gestohlen“: Ignoranz gegenüber globaler Wirtschaft

Trump nutzte die Gelegenheit, um den Chips and Science Act der Biden-Regierung zu kritisieren. Diese Maßnahme, die die Produktion von Halbleitern in den USA fördern soll, betrachtet er als überflüssig. Stattdessen propagiert er eine simple Zollpolitik, die internationale Chip-Produzenten zwingen würde, ihre Fabriken in die USA zu verlegen. Die Realität ist weitaus komplexer: Die USA sind in hohem Maße auf ausländische Halbleiter angewiesen, insbesondere aus Taiwan. Eine plötzliche Reduzierung dieser Abhängigkeit würde Jahre dauern und ist ohne staatliche Investitionen kaum umsetzbar.

Trumps Vorstellung, China habe den USA „die Chip-Industrie gestohlen“, ignoriert zudem die wirtschaftlichen Realitäten globalisierter Lieferketten und die engen Handelsbeziehungen zwischen den USA und asiatischen Produzenten. Die hohen Kosten und Risiken einer vollständigen Rückverlagerung der Chip-Produktion in die USA, insbesondere angesichts der internationalen Spannungen um Taiwan, bleibt in Trumps Darstellung unerwähnt. Wiederum hätte ein kritischer Journalist hier die Gelegenheit gehabt, Trumps vereinfachten Erklärungen eine differenzierte wirtschaftliche Analyse entgegenzusetzen.

„Mögliche außerirdische Lebensformen“ und Ablenkungsmanöver

Ein eher kurioses Detail des Gesprächs war Trumps Erwähnung von außerirdischem Leben. Rogan, selbst an Verschwörungstheorien und paranormale Phänomene gewöhnt, griff das Thema auf, und Trump ließ sich zu Spekulationen über die Existenz von Lebensformen auf dem Mars hinreißen. Dieser Ausflug in spekulative Themen dient jedoch einem klaren Zweck: Ablenkung. Wenn die Inhalte zu brisant werden, etwa bei Fragen zur Wahlmanipulation oder zur diplomatischen Strategie gegenüber Russland, lenkt Trump ab und spricht über Themen, die jenseits des greifbaren Verständnisses liegen.

Ein neues Medienformat, eine alte Strategie

Letztlich nutzt Trump Rogans Plattform nicht nur, um seine bereits bekannten Erzählungen zu wiederholen, sondern um sich als Teil einer neuen Medienlandschaft zu inszenieren, die jenseits etablierter Kanäle existiert. Rogans Podcast, der durch seine lockere Atmosphäre und weitgehend fehlende kritische Nachfragen zu einer Resonanzkammer für Trumps populistische Thesen wird, ermöglicht ihm ein Publikum zu erreichen, das oft skeptisch gegenüber Mainstream-Medien ist und die vermeintlich „unverfälschten“ Wahrheiten sucht.

Trumps Auftritt zeigt exemplarisch, wie politische Kommunikation in den Untiefen des digitalen Raums ankommt und wie alternative Medienkanäle genutzt werden, um ohne faktische Grundlage politische Narrative zu verbreiten. In der scheinbar harmlosen Form des Gesprächs wird das vermeintlich Authentische zur Waffe gegen eine demokratische Öffentlichkeit, die auf sachliche Information angewiesen ist. Einem Publikum, das einen neuen Typus des politisch unabhängigen Gesprächsführers sucht, wird hier jedoch eine Illusion geboten – die Illusion einer offenen Diskussion, die faktisch eine Bühne für Desinformation ist.

Fotoquelle: Jonah Elkowitz / Shutterstock.com

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