Ursula von der Leyen hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine Rede gehalten, die weniger als nüchterne Bestandsaufnahme gedacht war, sondern vielmehr als programmatische Ansage. Die Weltordnung verändere sich, erklärte sie mit gewohnter Klarheit, und Europa müsse sich anpassen, um in dieser neuen Realität zu bestehen. Ein nach innen gekehrter Kontinent, der sich auf vergangene Selbstverständlichkeiten verlasse, könne seine Interessen nicht verteidigen.
Handlungsfähigkeit in unsicheren Zeiten
Die EU-Kommissionspräsidentin zeichnete ein Bild Europas als einer Kraft, die – wenn sie sich ihrer eigenen Stärke bewusst ist – in der Lage sei, „Berge zu versetzen“. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise hätten gezeigt, dass die EU in Momenten größter Dringlichkeit mit Entschlossenheit handeln könne. Genau diese „Dringlichkeitsmentalität“ gelte es beizubehalten, wenn Europa nicht nur über Sicherheit sprechen, sondern sie auch aktiv gestalten wolle.
Wirtschaftliche Stärke als Fundament
Von der Leyen betonte, dass Europas geopolitische Sicherheit auch auf wirtschaftlicher Stabilität fuße. In diesem Kontext erneuerte sie ihre Kritik an Handelskriegen und protektionistischen Maßnahmen, insbesondere an Strafzöllen, die „keinen Sinn“ ergäben und lediglich Inflation anheizten. Gleichzeitig stellte sie unmissverständlich klar: Sollten neue Handelsbarrieren gegen die EU verhängt werden, werde Brüssel entschlossen reagieren. Die Europäische Union sei „einer der größten Märkte der Welt“ und werde ihre wirtschaftlichen Interessen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen.
Europäische Verteidigung: Mehr investieren, entschlossener handeln
Einer der zentralen Punkte ihrer Rede war die europäische Verteidigungspolitik. Europa müsse mehr tun, um seine Sicherheit eigenständig zu garantieren. Die Verteidigungsausgaben seien bereits von 200 Milliarden Euro vor dem Ukraine-Krieg auf über 320 Milliarden Euro gestiegen, doch das reiche nicht aus. Von der Leyen forderte eine Erhöhung auf über drei Prozent des BIP und kündigte an, dass sie die „Escape Clause“ aktivieren werde – eine haushaltspolitische Maßnahme, die es den EU-Mitgliedstaaten erlauben soll, ihre Verteidigungsausgaben erheblich zu steigern. Diese fiskalische Lockerung sei notwendig, um langfristig Sicherheit zu gewährleisten.
Die Ukraine als Teil Europas
Deutlich wurde die EU-Kommissionspräsidentin auch in ihrer Haltung zur Ukraine. Europa müsse geschlossen und entschlossen an der Seite Kiews stehen. „Ein gescheiterter ukrainischer Staat würde Europa schwächen – und ebenso die Vereinigten Staaten“, warnte sie. Der Krieg sei nicht nur eine Frage der territorialen Integrität, sondern ein Testfall für die gesamte regelbasierte Weltordnung. Ein Sieg Putins würde alle autoritären Regime ermutigen, mit ähnlichen Methoden geopolitische Fakten zu schaffen.
Von der Leyen erneuerte daher ihr Bekenntnis zur europäischen Perspektive der Ukraine. Der Beitrittsprozess müsse beschleunigt werden, und Europa werde alles tun, um diesen Prozess in die nächste Phase zu bringen. „Die Ukraine ist Teil unserer europäischen Familie, und dort liegt ihre Zukunft“, betonte sie mit Nachdruck.
Die Rolle Europas in der neuen Weltordnung
Europa müsse sich anpassen, um in einer Welt zu bestehen, in der sich geopolitische Machtverhältnisse verschieben. Zwischen den Vereinigten Staaten und China drohe eine bipolare Konfrontation, die Europa nicht nur als Zuschauer erleben dürfe. „Wir müssen klug sein, wir müssen mit klarem Blick auf das blicken, was vor uns liegt“, forderte sie.
Von der Leyens Botschaft war unmissverständlich: Europa hat eine Rolle zu spielen – als wirtschaftliche Macht, als sicherheitspolitischer Akteur und als Stabilitätsanker in einer zunehmend fragilen Weltordnung. Die Münchner Sicherheitskonferenz diente ihr als Plattform, um genau diese Vision zu unterstreichen.
Fotoquelle: MSC/Lennart Preiss