J.D. Vance

J.D. Vance auf der MSC: Amerikanischer Realismus oder populistische Kampfansage?

Ein neuer Ton in der transatlantischen Beziehung

Es war eine Rede, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig ließ: J.D. Vance, der Vizepräsident der USA und neue starke Mann in Donald Trumps Außenpolitik, trat auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit einer Botschaft auf, die ebenso besorgt wie polarisierend war. Es gehe um Sicherheit, erklärte er, doch nicht nur um die militärische Verteidigung gegenüber Russland oder China. Die größte Gefahr für Europa und die westliche Welt sei nicht von außen, sondern von innen zu suchen: im vermeintlichen Verrat an den eigenen demokratischen Werten, in einer politischen Kultur, die Meinungsfreiheit untergrabe und Wahlergebnisse manipuliere.

Eine Generalabrechnung mit Europa

Mit diesen Sätzen rührte Vance an ein politisches Tabu der transatlantischen Gemeinschaft. Er zitierte jüngste Vorgänge in Europa, etwa die juristische Annullierung einer Wahl in Rumänien und Debatten über eine mögliche Einschränkung von sozialen Medien bei „zivilen Unruhen“. Europa, so seine Botschaft, habe ein fundamentales Glaubwürdigkeitsproblem: Man rede von Demokratie, handle aber zunehmend wie ein Regime, das Opposition unterdrücke. In Vance‘ Darstellung mutierte Brüssel zu einem Ort, an dem Technokraten und Eliten gegenüber dem politischen Willen der Bevölkerung erzieherische Strenge walten ließen.

Wenn Sie Angst vor Ihren eigenen Wählern haben, gibt es nichts, was Amerika für Sie tun kann.

J.D. Vance

Die Trump-Strategie: Polarisierung als Prinzip

Die Schärfe dieser Diagnose war nicht zufällig gewählt. Sie passt ins Weltbild der neuen Trump-Administration, die unter dem Schlagwort der „nationalen Souveränität“ jegliche supranationale Kontrolle ablehnt. Doch Vance ging weiter: Er bemühte sich um eine explizite Gegenposition zu jener Politik, die die USA in den vergangenen Jahrzehnten mitgestaltet hatten. Wo die Demokraten unter Joe Biden noch Wertegemeinschaft und regelbasierte Ordnung betonten, setzt die neue Administration auf radikale Meinungsfreiheit, auch wenn sie in nationalistischen Exzessen münden sollte. „In Washington gibt es einen neuen Sheriff“, so Vance, und dieser werde „jeden Standpunkt verteidigen“ – selbst wenn er dem liberalen Konsens widerspreche.

Migration als Zündstoff für Europa

Dahinter steckt eine Strategie, die bereits in den USA erfolgreich war: Die gezielte Polarisierung als Mittel, um die politische Mitte zu destabilisieren. Wer Vance in München zugehört hat, konnte eine Ahnung davon bekommen, was in den kommenden Jahren auf Europa zukommt. Der transatlantische Schulterschluss wird keine Selbstverständlichkeit mehr sein. Stattdessen droht eine Ära der offenen Konflikte zwischen Washington und Brüssel, zwischen der neuen US-Führung und den liberalen Demokratien Europas.

Ein besonders brisanter Punkt seiner Rede war das Thema Migration. Vance stellte die Einwanderungspolitik vieler europäischer Staaten als gescheitert dar und verband sie direkt mit Sicherheitsrisiken. Er wies auf den gestrigen Anschlag in München hin, bei dem ein Asylbewerber eine Gewalttat verübt hatte, und fragte provokant, wie oft solche Tragödien sich noch wiederholen müssten, bevor Europa seine Grenzen schließe. Dass eine solche Forderung in konservativen Kreisen auf Zustimmung trifft, ist absehbar – doch sie wird auch zu neuen Spannungen zwischen den USA und Europa führen. Denn während Washington eine striktere Migrationspolitik fordert, bleibt der Kontinent in dieser Frage tief gespalten.

Europa im Fokus der neuen US-Regierung

Was bleibt von dieser Rede? Sie war ein Frontalangriff auf die europäische Politik, eine Kriegserklärung an das „Establishment“ und ein Werben um die populistischen Bewegungen, die von Warschau bis Paris an Einfluss gewinnen. Vance hat deutlich gemacht, dass Amerika unter Trump nicht mehr der verlässliche Partner sein wird, auf den sich Europa lange verlassen konnte. Wer in Brüssel und Berlin noch an den transatlantischen Schulterschluss glaubt, sollte sich auf eine ungemütliche Realität einstellen: Die neue US-Führung betrachtet Europa nicht als gleichwertigen Partner, sondern als ein politisches Experiment, das aus ihrer Sicht in die falsche Richtung läuft. Die Münchner Sicherheitskonferenz hat einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie diese neue Realität aussehen könnte.

Fotoquelle: Lennart Preiss/MSC

Total
0
Shares
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Prev
Peter Raue über Kunst, Kultur und Leidenschaft
Prof. Dr. Peter Raue

Peter Raue über Kunst, Kultur und Leidenschaft

Ein passioniertes Leben für die Künste

Next
Europa in der Zeitenwende: Von der Leyens klare Botschaft
Ursula von der Leyen auf der MSC

Europa in der Zeitenwende: Von der Leyens klare Botschaft

Ein Kontinent im Wandel

Diese Beiträge könnten dir auch gefallen
Abonniere unseren
WHATSAPP
CHANNEL
und erhalte alle Updates direkt:
JETZT FOLGEN!
Schließen