Die Münchner Sicherheitskonferenz begann in diesem Jahr mit einem ernsten Ton. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnete das Treffen mit einer Rede, die von der Realität globaler Krisen gezeichnet war. Gleich zu Beginn bezog er sich auf den Anschlag in München, der die Stadt am Vortag erschüttert hatte – eine düstere Erinnerung daran, wie verwundbar auch der Westen bleibt. Doch der Bundespräsident ließ keinen Zweifel daran, dass die Herausforderungen weit über diesen tragischen Vorfall hinausgehen.
Steinmeier nutzte seine Rede, um die Kontinuität der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zu betonen – besonders im Angesicht der vorgezogenen Bundestagswahl, die das politische Berlin in Unruhe versetzt. „Deutschland wird ein verlässlicher Partner bleiben – europäisch, transatlantisch, multilateral“, versicherte er und stellte klar, dass politische Übergangsphasen keine Unsicherheit für die Verbündeten bedeuten dürften.
Die Zeitenwende und ihre Konsequenzen
Der Bundespräsident schlug einen selbstkritischen Ton an, indem er die geopolitische Realität nach dem 24. Februar 2022 skizzierte – dem Tag, an dem Russland mit seinem Angriff auf die Ukraine die europäische Sicherheitsordnung zerstörte. Deutschland habe die „Zeitenwende“ verstanden, aber die Konsequenzen seien noch nicht vollständig gezogen. „Die Bundeswehr muss stärker werden – nicht um Krieg zu führen, sondern um Krieg zu verhindern“, sagte Steinmeier und mahnte an, dass Europa insgesamt seine Verteidigungsausgaben weiter steigern müsse. Das in der NATO vereinbarte Ziel von zwei Prozent des BIP sei angesichts der heutigen Bedrohungslage nicht mehr ausreichend.
Ein zentraler Punkt in Steinmeiers Rede war die Zukunft der NATO und das transatlantische Verhältnis. Er betonte, dass Europa einen größeren Anteil an der gemeinsamen Sicherheit tragen müsse, wenn die Allianz langfristig bestehen solle. „NATO muss auf zwei gleich starke Säulen gestellt werden“, forderte er. Besonders mit Blick auf eine mögliche Reduzierung der US-Truppenpräsenz in Europa unter einer erneuten Trump-Regierung betonte er: „Wir müssen diesen Prozess gemeinsam abstimmen, statt uns überraschen zu lassen.“
Europas Selbstbehauptung und der Kampf um Demokratie
Steinmeier machte klar, dass der Ausgang des Krieges in der Ukraine nicht nur Europas Sicherheit betrifft, sondern auch die geopolitische Machtbalance zwischen Demokratien und Autokratien weltweit beeinflusst. Ein „einfacher Deal“, um den Krieg zu beenden, sei keine Option: „Ein übereilter Rückzug würde uns alle schwächen – die Ukraine, Europa, aber auch die Vereinigten Staaten.“ Unterstützung für Kiew müsse langfristig gesichert sein, unabhängig von innenpolitischen Dynamiken auf beiden Seiten des Atlantiks.
Zum Abschluss widmete sich Steinmeier einer seiner Kernanliegen: der Bedrohung liberaler Demokratien. „Demokratie ist kein Spielplatz für Disruption“, erklärte er und verwies auf autoritäre Staaten wie Russland und China, die gezielt digitale Technologien nutzen, um Demokratien zu destabilisieren. Aber auch in den USA sieht er mit Sorge eine wachsende Machtkonzentration bei Technologie- und Finanzeliten, die demokratische Prozesse infrage stellen. „Wenn einige dieser Wirtschaftsmagnaten offen ihre Verachtung für demokratische Institutionen zeigen, dann ist das ein Alarmzeichen“, warnte er.
Steinmeiers Rede war nicht nur eine Analyse der aktuellen geopolitischen Lage, sondern auch ein Aufruf zur europäischen Selbstbehauptung. „Wir dürfen uns nicht kleiner machen, als wir sind“, appellierte er an die versammelten Entscheidungsträger. Die EU werde international ernst genommen – nun müsse sie sich auch selbst ihrer Stärke bewusst werden. Sein Schlussappell: „Lasst uns härter werden. Europa bleibt Europa – offen für Partnerschaften, aber entschlossen, seine Interessen selbst zu verteidigen.“
Fotoquelle: Thomas Niedermueller/MSC