Populismus hat sich in vielen Demokratien von einer Randerscheinung zu einer prägenden politischen Kraft entwickelt. Er ist längst nicht mehr allein auf extreme politische Lager beschränkt, sondern hat seine Spuren auch in den etablierten Parteien hinterlassen. Prof. Dr. Lena Frischlich, Expertin für digitale Medien und Populismus, erklärt: „Populismus ist eine dünne Ideologie, die auf drei Kernelementen basiert: der Annahme, dass die Eliten korrupt und bösartig sind, der Vorstellung eines homogenen, reinen Volkswillens und der Überzeugung, dass die Eliten diesen Volkswillen verhindern.“ Dabei sei Populismus nicht nur eine politische Ideologie, sondern auch eine Kommunikationsform, die durch Emotionalisierung und Vereinfachung geprägt ist.
Doch warum erleben populistische Bewegungen gerade jetzt einen solchen Aufschwung? Und welche Rolle spielen digitale Medien dabei?
Digitale Medien als Katalysator des Populismus
„Soziale Medien schaffen Gelegenheitsstrukturen, die populistischen Ideen entgegenkommen“, erläutert Frischlich. Diese Plattformen erleichtern es, sich jenseits der traditionellen Eliten zu vernetzen, Gleichgesinnte zu finden und politische Botschaften ungehindert zu verbreiten. Besonders problematisch sei, dass Algorithmen emotionale und moralisierende Inhalte bevorzugen: „In diesen Umgebungen haben es Inhalte leicht, die sehr emotional und charismatisch vorgetragen werden – beides typische Elemente populistischer Kommunikation.“
Menschen, die sich in Filterblasen bewegen, überschätzen oft, wie weit verbreitet ihre Ansichten sind – das verstärkt Polarisierung und den Eindruck, Teil einer Mehrheit zu sein.
Prof. Dr. Lena Frischlich
Die Gefahr liege auch in der verstärkten Wahrnehmung von Gruppenzugehörigkeit. Menschen, die sich vorwiegend in geschlossenen Online-Communities bewegen, überschätzen, wie weit verbreitet ihre Meinungen tatsächlich sind. „Wenn ich mich immer nur mit Leuten unterhalte, die meiner Meinung sind, denke ich eher, dass alle anderen diese Meinung auch teilen“, so Frischlich. Diese Dynamik verschärfe Polarisierung und führe dazu, dass sich die politische Mitte zunehmend auflöse.
Nostalgie und Angst: Die emotionalen Treiber des Populismus
Populismus setzt gezielt auf Nostalgie und Angst, um Zustimmung zu mobilisieren. Frischlich erklärt: „Nostalgie ist eine wichtige Emotion, die besonders von Rechtspopulisten effektiv eingesetzt wird. Sie vermittelt ein Gefühl von Kontinuität in Zeiten von Krisen und Unsicherheit.“ Slogans wie Make America Great Again oder Deutschland den Deutschen schöpfen aus der selektiven Vorstellung einer idealisierten Vergangenheit, die oft mit der Realität wenig gemein hat.
Angst ist ein weiterer zentraler Bestandteil populistischer Rhetorik. „Unter Angst oder Bedrohung wollen Menschen zurück in die Sicherheit der Gemeinschaft – das hindert Innovationskraft und fördert stattdessen konservative Reflexe“, so Frischlich. Gerade in den sozialen Medien werde dieses Bedürfnis durch angstauslösende und negative Inhalte verstärkt, die sich besonders schnell verbreiten. Das führe nicht nur zu einer emotional aufgeladenen Debatte, sondern untergrabe auch die Fähigkeit zur rationalen Auseinandersetzung.
Kann die Spirale des Populismus durchbrochen werden?
Die wachsende Präsenz populistischer Akteure und die Verschärfung der politischen Rhetorik werfen die Frage auf, wie Demokratien diesen Entwicklungen begegnen können. Prof. Frischlich plädiert dafür, nicht auf populistische Taktiken hereinzufallen: „Die Studienlage zeigt eindeutig, dass etablierte Parteien, die rechtspopulistische Elemente übernehmen, langfristig nur den Rechtspopulisten selbst nutzen.“ Stattdessen sei es notwendig, positive Narrative zu schaffen, die auf Zusammenhalt und Pluralismus setzen.
Ein weiterer Schlüssel liegt im Umgang mit Desinformation. Während Faktenchecks wichtig sind, betont Frischlich, dass präventive Aufklärung noch effektiver ist: „Fakten sind immer besser, wenn sie vorher kommen. Sobald Menschen sich eine Meinung gebildet haben, ändern sie diese nur sehr ungern.“ Zudem sei es notwendig, Plattformen stärker in die Verantwortung zu nehmen, wenn es um die Verbreitung von Hassrede und manipulativen Inhalten geht. „Die Verbreitung von Hassrede kann unsere Empathiefähigkeit gefährden. Wir verlieren die Fähigkeit zu sehen, welchen Schaden sie bei den Betroffenen anrichtet“, warnt sie.
Wissenschaftliche Perspektiven und demokratische Zukunft
Das Gespräch mit Prof. Dr. Lena Frischlich zeigt, wie tiefgreifend die Mechanismen des Populismus in die demokratische Gesellschaft eingreifen. Ihre Einblicke verdeutlichen, dass der Kampf gegen Populismus nicht durch Nachahmung, sondern durch die Stärkung demokratischer Werte und konstruktiver Kommunikationsstrategien gewonnen werden kann. Die Frage, wie wir Populismus und dessen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft verstehen und bekämpfen können, bleibt eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit.
Fotoquelle: Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste | Bettina Engel-Albustin 2022