Kerstin Deixler: Corona hat neuen Medienformaten einen Schub gegeben.

Kerstin Deixler

Kerstin Deixler ist Head of Marketing bei XPLR: Media in Bavaria und spürt mit ihrem Team die neuesten Medientrends und -entwicklungen am Medienstandort Bayern auf – und macht sie in verschiedensten Formaten sichtbar. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, inwieweit die COVID-19 Pandemie die Innovationskraft der Medienbranche beeinflusst hat.

In Zeiten der Pandemie sind unglaublich viele neue Formate entstanden und mehr Menschen als je zuvor wurden zu Medienproduzenten. Wie siehst Du diese Entwicklung, die ja bereits viel früher begonnen hat?

„Viel früher“ ist ein gutes Stichwort: Dass Menschen selbst zu Medienproduzenten werden, ist ja tatsächlich kein neues Phänomen. Das Netz lebt quasi von user generated content und von sogenannten „Prosumern“ – also Menschen, die Medien nicht nur konsumieren, sondern auch produzieren. Diese Entwicklung nimmt mit neuen Medienformaten einen recht natürlichen Weg: Wer zum Beispiel TikTok aktiv und in voller Funktion nutzen will, dem bleibt gar nichts anderes übrig, als selbst zum Produzenten zu werden.

Corona hat hier aber durchaus nochmal für einen deutlichen Schub gesorgt. Vor allem Skeptiker zeigen sich jetzt zunehmend offen und kommen aus ihrer Komfortzone heraus: Ganz viele Arbeitsabläufe und Prozesse, die vorher unmöglich erschienen, sind plötzlich doch machbar. Neue Formate und Plattformen wurden über Nacht aus dem Boden gestampft, getestet und mit Inhalten bespielt – zum Bespiel der Podcast „Corona in Bayern“ von BR24 und Bayern 1, die Social-TV Plattform ONE München oder auch diverse Plattformen und Tools im Bildungsbereich wie zum Beispiel „Schule daheim“ vom Bayerischen Kultusministerium und dem Bayerischen Rundfunk. Diesen Schub haben wir auch mit XPLR: MEDIA in Bavaria deutlich wahrgenommen: Wir haben die Zeit während des Lockdowns genutzt, um die Medienbranche noch intensiver zu beobachten und gesehen, was für spannende neue Formate trotz der Krise möglich sind. Und ich kann nur sagen: Wir sind begeistert von der Innovationskraft des Standorts!

Die bayerische Medienbranche auf einen Blick: Media Map von XPLR: MEDIA in Bavaria

Das Coronavirus hat gezeigt, dass sich Informationen – falsche und richtige – wahnsinnig schnell im Netz verteilen. Komplexe Themen müssen schnell, hochwertig und gut komprimiert aufbereitet, Fake News müssen möglichst schnell identifiziert werden. Welche Chancen bietet das für innovative neue Formate?

Mit dem Aufkommen und der rasanten Ausbreitung von COVID-19 waren viele Menschen ziemlich verunsichert und auf der Suche nach verlässlichen Quellen. Leider oft mit dem Ergebnis, durch Falschinformationen noch mehr in die Irre geführt zu werden. Aber gerade hier können innovative Medienformate ansetzen: Zum Beispiel wird im Journalismus die Echtheit von Online-Inhalten durch Faktenchecks mithilfe von Künstlicher Intelligenz immer besser überprüft. Und auch die großen Tech-Konzerne nehmen das Thema zunehmend ernst: Facebook, Google, Reddit, LinkedIn, Microsoft, Twitter und YouTube haben eine Koalition gebildet, um Fake News entgegenzuwirken. Facebook unterstützt sogar eine Initiative der TU München mit 6,5 Millionen Euro, um unter anderem die Entwicklung von Hasskommentaren und gefälschten Nachrichten im Netz zu erforschen. Und auch der #Faktenfuchs, der vom Bayerischen Rundfunk entwickelt wurde, geht mithilfe der Software „factfox“ Gerüchten auf den Grund.

Der Medienstandort Bayern ist für die deutsche Medienlandschaft nach wie vor sehr wichtig. Wie schätzt Du die Innovationskraft des Standorts ein und kannst Du einige positive Beispiele nennen?

Hier am Standort passiert wahnsinnig viel was das Thema Innovation angeht, vor allem im Bereich der Künstlichen Intelligenz und an der Schnittstelle zur Tech-Branche. Man denke etwa an das Lufttaxi-Startup Lilium oder den Forschungsroboter Roboy. Aber auch die Hochschullandschaft in Bayern steht dem in nichts nach: An der TU München laufen zum Beispiel Forschungsprojekte zum Hyperloop, einem Superschnellzug, oder auch zur Enttarnung von Fake News. Wo Bayern auch ganz vorne mitspielt, ist im Bereich XR (Extended Reality) – also von Virtual über Augmented Reality bis hin zu 360-Grad. Neben innovativen Playern wie SPREE Interactive, die Systeme für Location-based Environment VR produzieren, oder VuframeGmbH mit Fokus auf virtuellen Showrooms wurde 2019 auch der XR HUB Bavaria mit drei Standorten in München, Nürnberg und Würzburg gegründet. In den Hubs werden aktuelle Trends rund um XR gebündelt, Akteure vernetzt und auch Ideen und Projekte gefördert.

Was wir beobachten: Der Bedarf an Innovationen ist immer da und es tut sich viel in diesem Bereich – was genau, untersuchen wir derzeit in einer Studie. Durch die Corona-Krise sind jetzt viele bereit – oder waren gezwungen – sehr schnell Neues auszuprobieren: Redaktionsmeetings wurden remote geführt, Radiosender haben aus dem Homeoffice gesendet und Fernsehstudios wurden umgebaut, um die Abstandsregeln einzuhalten. Aber egal wie das Innovationsprojekt aussieht – am wichtigsten ist meiner Meinung nach, einfach mal klein anzufangen, auch mit kleinem Budget. Das machen die Startups aus dem Media Lab Bayern ziemlich gut vor: Da entstehen mit wenig Zeit und wenig Ressourcen in kurzer Zeit unglaubliche Projekte.

Wie attraktiv ist der Standort für Medienstartups und was wird unternommen, um Startups zu unterstützen?

Bayern hat für Medienstartups einiges zu bieten, da hier viele relevante Player angesiedelt sind und wir ein gutes wirtschaftliches Umfeld haben. Nicht zu unterschätzen ist auch die hohe Lebensqualität. Zudem arbeiten hier viele Talente und Young Professionals, da es in Bayern eine Fülle an guten Ausbildungsmöglichkeiten in der Medienbranche gibt. Ein Startup zu gründen kostet aber natürlich auch Geld und gerade München ist ein teures Pflaster. Dafür gibt es jedoch spezielle Förderprogramme und Coworking Spaces, wie zum Beispiel das Media Lab Bayern, das WERK1 und Wayra in München oder den Inn.Kubator in Passau.

Was sind aus Deiner Sicht momentan die spannendsten, vielversprechendsten Entwicklungen in Sachen Medieninnovation?

Im Audio- und Voice-Bereich tut sich derzeit viel und der Markt steckt mitten im Wandel, wie man an neuen Playern wie zum Beispiel Julep, einer Plattform für die Monetarisierung von Podcasts, und FYEO, einer kommerziellen Podcast-Plattform von ProSiebenSat.1, sieht. Auch der Bereich New TV transformiert sich stark: Das Münchner Startup HIGGS hat zum Beispiel eine unkomplizierte Streaming-Lösung für die Liveübertragung von Events entwickelt und Veeplay unterstützt Sender, Medienunternehmen und Content-Produzenten beim Streamen, Sichern und Monetarisieren ihrer Inhalte mithilfe von Videoplayer-Frameworks.

Was abgesehen davon noch sehr spannend werden dürfte: Wie kann Networking in der Branche digital funktionieren? Und wie sehen Medienevents künftig aus? Wird es hier neue „Standards“ geben? Gehen wir überhaupt nochmal zurück zu rein physischen Events? Oder hin zu Hybrid-Events – also einer Mischung aus digital oder analog? Und welche Möglichkeiten bieten hier Extended Reality-Formate wie Virtual Reality, Augmented Reality und 360-Grad?

Alle Medienevents aus Bayern: Eventkalender von XPLR: MEDIA in Bavaria

Podcasts haben sich in den vergangenen Monaten zu einem immer wichtigeren Format entwickelt. Der Hype ist international riesig und viele Experten sagen, dass wir immer noch am Anfang der Entwicklung stehen. Wie siehst Du diese Entwicklung?

In Deutschland gibt es mittlerweile über 30.000 Podcasts. Gerade in den letzten beiden Jahren hat sich der deutsche Podcast-Markt stark weiterentwickelt und ausdifferenziert – und zwar in alle Richtungen: von den Produzenten über die Vermarkter, die Hoster bis hin zu den Shows und Formaten. Seit 2018 tun sich auch größere private Rundfunkveranstalter und Medienunternehmen mit der Produktion von Podcasts hervor, wie zum Beispiel der Bayerische Rundfunk, ProSiebenSat.1 oder die Süddeutsche Zeitung. Daneben sind unabhängige Podcast-Firmen auf den Markt gekommen, etwa das Münchner Unternehmen Kugel und Niere, das sich auf die Produktion von Podcasts konzentriert oder eben Julep, die deutschsprachige Podcasts vermarkten. Der Markt befindet sich in Deutschland – im Vergleich zum US-Markt – zwar noch in einer Frühphase, nimmt aber rasant an Fahrt auf.

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