New Work stellt sich in der Praxis deutlich komplexer dar, als es die damit zusammenhängenden Schlagwörter wie Flexibilität, Agilität und Individualität zunächst vermuten lassen. Es reicht eben nicht aus, sich mit Einzelmaßnahmen einem solch anspruchsvollen Ziel nähern zu wollen. Wer mit der Absicht zum radikalen Wandel startet und vor dem enormen Veränderungsbedarf, der etwa mit der Einführung von mobilem Arbeiten oder der Einrichtung von Großraumbüros einhergeht, zurückschreckt, wird wohl das enorme Potenzial der Digitalisierung ungenutzt liegen lassen.
Agilität als Erfolgsfaktor – für Unternehmen und Mitarbeiter
Es geht um nicht weniger als die Zukunft eines Unternehmens, die New Work-Initiativen sichern sollen: Unternehmen müssen sich künftig flexibler zeigen, um auf die sich in immer kürzeren Abständen verändernden Bedingungen optimal reagieren zu können. Das betrifft vor allem auch die Arbeitswelt, in der individuelle Arbeits- und Lebenskonzepte gefordert und im Zuge der Digitalisierung auch möglich werden. Hier tun sich Startups naturgemäß leichter, fußen sie in vielen Fällen ohnehin auf disruptiven Geschäftsmodellen. Der Mittelstand bewegt sich schon deutlich langsamer, für Konzerne mit komplexen Strukturen liegen die Hürden noch höher.
Und trotzdem ist diese Veränderung unumgänglich, wird doch schon heute von Mitarbeitern eine hohe Flexibilität erwartet: Die technologischen Entwicklungen verändern einerseits permanent die technischen Arbeitsbereiche; gleichzeitig wächst die Bedeutung technologischer Lösungen. Die Abhängigkeit wird insbesondere offensichtlich, wenn es zu einem Ausfall kommt. Mit den Weiterentwicklungen der Technologien erhöht sich aber auch der Bedarf an Sicherheit. Hackerangriffe stellen heute nicht mehr nur eine große Gefahr für sensible Daten dar, sondern auch für komplette Produktionsprozesse bis hin zur Absicherung der Versorgung mit Strom, Wasser, Gas und Telekommunikation.
Unternehmensführung gefragt: New Work als neue Unternehmenskultur
Neben den technischen Neuerungen, auf die sich Mitarbeiter immer wieder neu einstellen müssen, verändern sich die Arbeitsbereiche gravierend: Das typische Sekretariat dürfte zum Beispiel in Kürze der Vergangenheit angehören. Der gesamte administrative Bereich ist heute so technisiert, dass sich vollkommen neue Aufgaben stellen. Diese Tendenzen frühzeitig zu erkennen, in die Entwicklung der Organisationen und Prozesse einzuplanen und mit qualifizierten Fachkräften zu besetzen, erfordert vor allem ein auf lange Sicht ausgerichtetes strategisches Denken und Handeln – und das von der Spitze für alle Bereiche des Unternehmens.
Es darf nicht aus dem Auge verloren werden, dass die über Bereichsgrenzen hinausgehenden Arbeiten permanent zunehmen, Organisationen sich dem anpassen können und entsprechend des Bedarfs immer wieder neu aufstellen müssen. Damit werden die eingefahrenen und vor allem in etablierten Unternehmen vielstufigen Hierarchien zum Auslaufmodell. Sie können sich längst nicht so dynamisch bewegen, wie es im Zuge von New Work notwendig wäre. Nicht ohne Grund testet mit der Deutschen Telekom, Europas größtes Telekommunikationsunternehmen, eine Form der Matrixorganisation: Abteilungen bestimmen selbst, wer sie leitet – die einst streng hierarchisch vergebene Leitungsfunktion erhält demnach eine ganz andere Bedeutung.
Aber auch das Verhältnis zwischen den Best Agern und den Jungen im Unternehmen befindet sich im Wandel: Übernahmen einst die Alten den Wissenstransfer an die nachfolgenden Generationen, verkehrt sich diese Welt in puncto Digitalisierung. Auch hier probiert die Telekom ein neues Mentoring aus, um den digitalen Wissensvorsprung der Jungen den älteren Arbeitnehmern zugänglich zu machen. Bei New Work-Initiativen gehören Sinnstiftung und Empowerment nicht umsonst ganz oben auf die Agenda, soll die individuelle Produktivität jedes einzelnen Mitarbeiters effektiv ausgeschöpft werden.
Individualisierung als Anforderung – New Work setzt neue Maßstäbe
Die Möglichkeiten der Arbeitsplatz- und Arbeitsgestaltung vervielfältigen sich im Zuge der Digitalisierung. Home Office und virtuelles Arbeiten lösen die klassischen 9-5-Modelle ab, sparen Zeit für die Arbeitswege und Kosten für die Einrichtung unternehmenseigener Büros. Auch wenn diese neue Arbeitswelt organisations- und gewöhnungsbedürftig ist, entspricht sie doch den sich verändernden Bedürfnissen: Insbesondere die Generationen Y und Z legen Wert auf flexible und kürzere Arbeitszeiten, die ihnen mehr Zeit für ihr Privatleben lässt – dafür schlagen sie auch vielversprechende Positionen oder Vergünstigungen wie einen Dienstwagen aus. Die Lebensläufe werden im Vergleich zu früheren Generationen immer individueller, häufigen Brüchen und wechselnden Arbeitsstationen im Erwerbsleben haftet längst nichts Außergewöhnliches mehr an.
Grenzen spielen dabei eine immer kleinere Rolle, Digital Nomads ziehen um die Welt und pflegen Remote Work. Eine andere Variante ist das Jobsharing. Zwei Arbeitnehmer teilen sich dabei eine Stelle, was von Plattformen wie Tandemploy digital unterstützt wird. Bei der sozialen Organisation GetYourWings werden so gleich mehrere Modelle gelebt, die Agilität und Individualität Rechnung tragen: Mitarbeiter können mit Remote Arbeiten ihren Urlaub verlängern, Home Office ist immer wieder möglich, wenn Arbeiten unter den Bedingungen für Mitarbeiter und Team passen, Gleitzeit und ein digitaler Kalender lassen dem Mitarbeiter Freiheiten in seiner Arbeitstaggestaltung, Meetings werden oftmals auch per Skype und Conference Call geführt und das Büro ist so gestaltet, dass neben Einzelarbeitsplätzen und Großraumbüro ein Telefonraum, die Küche, zwei Lounge-Bereiche und zwei Dachterrassen Konzentration wie Entspannung möglich machen.
Die Gleichung für New Work lautet: Die Summe aus zwei halben Stellen ergibt die Leistung von mehr als einer. Die individuellen Ideen und Kompetenzen der Mitarbeiter rücken in den Vordergrund, was sich auch im Intrapreneuring effektiv einbringen lässt. Es gilt also, die bisherigen Grenzen in Bezug auf unternehmerisches Denken, Strukturen und Organisationen zu sprengen, Mitarbeiter intensiv in die Entwicklung eines New Work Ansatzes mit einzubeziehen – und bei all den Veränderungen eines nicht zu vergessen: den Kunden.
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