Jeff Burton gehört zu den beeindruckendsten Unternehmern der US-amerikanischen Tech-Szene. Zusammen mit fünf weiteren Co-Foundern gründete er in den 1980er Jahren das Gaming-Unternehmen Electronic Arts, das sich inzwischen zu einem Multi-Milliarden-Dollar-Business entwickelt hat. Bei all dem Erfolg verlor er aber nie den Blick auf seine Familie und traf in diesem Zusammenhang immer wieder bemerkenswerte Entscheidungen. Wir haben uns mit ihm getroffen und ausführlich über sein Leben gesprochen.
In den 1980er Jahren warst Du Teil einer Gruppe visionärer Köpfe, die Electronic Arts gegründet haben. Inzwischen hat sich das Unternehmen zu einem der wichtigsten Player im Gaming-Markt entwickelt. Jeder kennt EA Games und die damit verbundenen Titel. Wie kam es zur Gründung? Wie seid Ihr auf die Idee dazu gekommen?
Im Jahr 1982 war Trip Hawkins, der bei Apple als Marketing Manager für das LISA-Projekt gearbeitet hat, nicht mehr zufrieden mit seinem Job. Er war zu diesem Zeitpunkt 28 Jahre alt und finanziell komplett unabhängig – vor allem durch Aktienoptionen, die er im Zuge seines Starts bei Apple im Sommer 1978 erworben hatte. Er hatte den Plan ein Unternehmen für Videospiele zu gründen. Im Juli 1982 lud er fünf weitere Personen zu einem Dinner in sein Haus in Portola Valley ein, um herauszufinden, ob diese daran interessiert wären, seinen Plan in die Realität umzusetzen. Diese fünf Personen waren: Rich Melmon, VP bei VisiCorp, Bing Gordon, Manager bei einer Werbeagentur in San Francisco, David Evans und Pat Marriott, beides Mitarbeiter von Trip bei Apple, und ich.
Zu diesem Zeitpunkt war ich bei Atari für die Entwicklung im internationalen Markt verantwortlich. Ich kannte Trip und Bing aus unserer gemeinsamen Zeit in Stanford. An diesem Abend unterhielten wir uns bis spät in die Nacht und diskutierten darüber, wie das Unternehmen, das wir gemeinsam gründen wollten, aussehen könnte und sollte. Trip wollte einen Third-Party-Software-Publisher aufbauen und wir waren uns schnell einig, dass das eine gute Idee sei. Trip und Rich stellten das Kapital, das uns als Seed Funding diente, während wir parallel in einer ersten Investment-Runde nach VC-Geldern Ausschau hielten. Im August 1982 verließen wir alle unsere bisherigen Jobs, um das Unternehmen zu gründen, das wir später Electronic Arts nannten. Im November 1982 konnten wir dann bereits die erste Investment-Runde abschließen und sammelten 5 Millionen US-Dollar ein. Angeführt wurde die Runde damals von Brook Beyers, Partner bei Kleiner, Perkins, Caulfield, & Beyers.
Electronic Arts durchlebte die übliche Achterbahnfahrt eines jungen Unternehmens.
Wie hat sich Electronic Arts in den ersten Jahren entwickelt?
Die ersten Jahre waren, wie in fast jedem Unternehmen, eher steinig und turbulent. Wir haben einige Fehler gemacht, uns öfter verkalkuliert – es war die übliche Achterbahnfahrt, die viele Gründer miterleben. Ende des ersten Jahres haben wir zwei unserer Co-Founder verloren, ein dritter verließ das Unternehmen im vierten Jahr. Im Mai 1983 brachten wir die ersten Titel auf den Markt und jeder im Unternehmen half im Lager bei Verpackung und Versand. Soweit ich mich erinnere, waren die ersten Titel: Archon, Axis Assassin, Hard Hat Mack, The Last Gladiator, Worms, M.U.L.E. und Pinball Construction Set.
Der Gaming Markt für Heimcomputer entwickelte sich damals sehr langsam und um uns zu diversifizieren übernahmen wir ein Software-Haus im kalifornischen Roseville, das sich auf Home Productivity spezialisiert hatte. Wir nannten das Produkt “Get Organized.” und haben uns dann tatsächlich etwa ein Jahr lang mit dem Thema beschäftigt. Anschließend haben wir die Produktkategorie wieder eingestellt und uns in den nachfolgenden Jahren wieder komplett auf Gaming fokussiert.
Du warst für den internationalen Markt verantwortlich. Wie schwierig war es, das Unternehmen global zu positionieren?
Unsere Investoren wollten, dass wir den internationalen Markt erst einmal ignorieren, bis EA auf dem heimischen US-Markt etabliert war. In den ersten Jahren haben wir deshalb lediglich fertige Produkte nach Großbritannien und einige wenige andere europäische Länder ausgeliefert. Die Verkaufszahlen für Heimcomputer waren in Europa schlechter als in den USA. Unsere hochwertigen Titel waren für den wachsenden EU-Markt aber dennoch interessant, weshalb ich dann eine Lizenzvereinbarung mit Bertelsmann für ganz Europa aushandelte. Nach ein paar Jahren hatte sich der Markt ausreichend entwickelt, um eine eigene EA-Niederlassung in UK zu rechtfertigen. Kurz darauf eröffneten wir ein Büro in Japan und kauften einen Vertrieb in Australien. Die Qualität unserer Spiele wurde in dieser Zeit immer besser – das half uns dabei, Electronic Arts als weltweit führenden Publisher zu positionieren.
Ich habe meine Entscheidung zugunsten der Familie niemals bereut.
Im Jahr 1989 hast Du das Unternehmen verlassen – kurz nach dem IPO. Der Hauptgrund war, dass Du Dich mehr um Deine Familie kümmern und mit ihr nach Austin umziehen wolltest. Zu dieser Zeit sprach noch niemand wirklich über Work-Life-Balance, erst recht nicht in der Position, in der Du Dich befunden hast. Fiel Dir die Entscheidung schwer?
Es war nicht einfach Electronic Arts zu verlassen. Ich war ja schließlich seit dem ersten Tag dabei. Allerdings wurde das Unternehmen so groß, dass es längst nicht mehr möglich war, jeden einzelnen Mitarbeiter zu kennen und das sorgte dafür, dass für mich ein Teil des Spaßes verloren ging. Es wurde alles viel unpersönlicher und es entwickelte sich – wenig überraschend – eine echte Corporate-Kultur. Mir wurde klar, dass meine Kinder schon in wenigen Jahren ihre Schulzeit starten würden und mein Einfluss auf ihre persönliche Entwicklung dadurch immer stärker limitiert werden würde. Die kurze Periode zwischen dem zweiten und sechsten Lebensjahr hat eine ungerecht hohe Bedeutung für das restliche Leben eines Kindes. Ich wollte diese Zeit nicht verpassen und – glücklicherweise – ermöglichte mir der IPO von EA die Freiheit, mich intensiv mit meinen Kindern zu beschäftigen. Ich habe diese Entscheidung niemals bereut und bin überaus dankbar für diese Möglichkeit.
Geld ist einfach nur Geld, aber ein Leben zu schenken, ist das wahre Glück.
Durch Dein Engagement bei Electronic Arts und durch den IPO hast Du ein ansehnliches Vermögen verdient. Einige Jahre später hast Du allerdings fast alles im Zuge der Scheidung von Deiner damaligen Frau verloren. Du hast Dich damals – erneut – für Deine Kinder entschieden und bist mit ihnen von Austin nach Kalifornien umgezogen, um noch einmal ganz neu zu starten. Für jemanden, der Teil eines Gründerteams war, das den Grundstein für ein Unternehmen legte, das sich in ein Multi-Milliarden-Dollar-Business entwickelt hat, eine durchaus ungewöhnliche Entscheidung. Was würdest Du jemandem in einer vergleichbaren Situation raten?
So schwer es in dieser Welt auch sein kann, nicht all das Geld zu haben, das man sich wünschen würde: Ich habe diese Entscheidung niemals bereut und würde jedem jederzeit raten, die eigenen Kinder immer an erste Stelle zu setzen, um sie zu unterstützen – besonders während der entscheidenden Jahre ihrer Entwicklung. Ich weiß, dass meine Kinder, die heute im Erwachsenenalter sind, für die Opfer, die ich damals erbracht habe, sehr dankbar sind. Kinder fragen nicht danach, geboren zu werden, folglich sind Eltern dazu verpflichtet, alles zu tun, um ihnen dabei zu helfen, sich gut zu entwickeln und erfolgreich sein zu können. Geld ist einfach nur Geld, aber ein Leben zu schenken, ist das wahre Glück.
In Kalifornien angekommen, hast Du Dein Geld damit verdient, andere Unternehmen zu beraten. Alles, was Dir damals zur Verfügung stand, war das Netzwerk, das Du in den Jahren zuvor aufgebaut hattest. Hast Du jemals darüber nachgedacht, wieder für EA zu arbeiten oder gar ein Job-Angebot aus dem Unternehmen bekommen?
Kurz gesagt: Nein. Für mich kam das nie in Frage und mir wurde auch kein Job angeboten. Zeiten und Umstände ändern sich und jeder sollte den Blick in die Zukunft richten – nicht auf die Vergangenheit. Es ist für mich in der Tat schwer vorstellbar, jemals wieder für ein Unternehmen zu arbeiten – inklusive Electronic Arts. EA ist jetzt ein riesiger Konzern und auch, wenn ich das Unternehmen und das was wir hier vollbracht haben, immer noch liebe, habe ich nicht das Verlangen für ein großes Unternehmen zu arbeiten. Das Netzwerk das ich aufgebaut habe, war über meine Karriere hinweg überaus wertvoll und ich würde es für nichts in der Welt eintauschen. Es besteht weiterhin eine wundervolle Verbindung unter uns EA Alumnis – aus gutem Grund.
In den letzten Jahren hast Du vielen Startups mit Deiner Erfahrung dabei geholfen, ihr Business aufzubauen. Neben den unternehmerischen Ratschlägen: Hast Du den Gründern auch nahe gebracht, dass Arbeit nicht alles im Leben ist?
Absolut, ja. Jeder, der an etwas arbeiten kann, das von einer inneren Leidenschaft angetrieben wird, kann sich extrem glücklich schätzen. Und in solchen Fällen kann man nicht wirklich von Arbeit sprechen. Es fühlt sich schnell an, wie das Leben selbst. Und in einer solchen Situation zählen die Spuren und Eindrücke, die man bei den Menschen im eigenen Umfeld hinterlässt, am meisten. Es kommt der Gründung einer Familie sehr nahe. In diesem Zusammenhang liebe ich das Zitat von Maya Angelou: “Ich habe gelernt, dass Menschen vergessen, was man gesagt hat, dass Menschen vergessen, was man getan hat, aber dass Menschen niemals vergessen, welche Gefühle man in ihnen hervorgerufen hat.” Nach diesen Worten lebe ich.
Vor ein paar Wochen wurdest Du Co-Founder und Chairmen bei HolodeckVR. Wie wird Virtual Reality Deiner Meinung nach die Gaming-Industrie verändern?
Ich bin sehr gespannt darauf, wie VR die Gaming-Industrie verändern wird. Es ist social, interaktiv und erlaubt Erlebnisse, die man mit keiner anderen Technologie erzielen kann. VR nimmt den Nutzer mit eine völlig andere Welt und eine neue Generation an VR-Natives wird folgen – mit einem großen Potenzial für lebenslanges Lernen, Vergnügen und Zufriedenheit.
Im September wirst Du bei Bits & Pretzels in München auf der Bühne stehen. Worüber wirst Du sprechen?
Kommt alle zu Bits & Pretzels und findet es heraus!